Opel mit Jaray-Stromlinienkarosserie

Beiträge zum Thema "Historische Opel-Fahrzeuge"
Forumsregeln
Hier finden sich Beiträge zu Modellen von Opel, die nicht mehr im aktuellen Programm angeboten werden.
Antworten
Benutzeravatar
TseHa
Beiträge: 428
Registriert: Mi 15. Okt 2008, 11:13
antispam: 0
Wohnort: 57334 Banfe

Opel mit Jaray-Stromlinienkarosserie

Beitrag von TseHa » Mi 22. Okt 2008, 16:54

Wann und von wem dieser spektakuläre Opel seine Jaray-Stromlinienschale erhielt und welcher Typ sich darunter verbirgt, ist mir (noch) nicht bekannt. Er dürfte aus der Zeit von ca. 1927/28 bis ca. 1935 stammen, denn die kleinen Ausstellfenster in der Mitte der Windschutzscheibe sind bei Jaray-Wagen ab 1935/36 nicht mehr vorhanden.

Nach der weiter unten von Alex zitierten Quelle, die von einer Jaray-Stromlinienkarosserie auf Opel Chassis, einer verrkleinerten Plankopie 1936, zwei Originalentwürfen 1937 ond drei Fotos spricht (Auftraggeber war Opel!), wäre obige Aussage nach oben zu berichtigen. Ebenso wären die genannten Ausstellfenster damit länger in Gebrauch gewesen, als die Auswertung von Fotos bislang ergab.
Jaray_Opel1.jpg
Jaray_Opel2.jpg
Wenn ich nicht irre, entstanden die Bilder vor den Opel-Villen in Rüsselsheim. Hat jemand genauere Informationen?

Paul Jaray, am 11. März 1889 als fünftes Kind einer ungarisch-jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, ließ schon im Kindesalter technisches Genie erkennen. Besonders begeisterte ihn die gerade aufkommende Luftfahrt. Er studierte Maschinenbau ab 1906 in Wien und in Prag ab 1911. 1912 kam er nach Friedrichshafen, wo er als Ingenieur beim Flugzeugbau Friedrichshafen tätig war. Ab 1914 arbeitete Jaray dann bei der Zeppelin AG im Luftschiffbau, wo er an der Entwicklung der Luftschiffe LZ 38 bis LZ 126 beteiligt war. Bei Zeppelin forschte Jaray besonders im Bereich Aerodynamik, ein Thema, welches ihn jahrzehntelang beschäftigte. Jaray wandte seine Erkenntnisse zur Aerodynamik aus dem Bau von Flugzeugen und Luftschiffen nach 1920 auch auf ein von ihm ent- wickeltes Trethebelfahrrad, J-Rad genannt, und den Automobilbau an.
Am 8. September 1921 meldete er beim Reichspatentamt in Berlin ein Patent für eine stromlinienförmige Automobilkarosserie an. Wegen Patentstreitigkeiten wurde seinem Antrag aber erst 1926 als DRP 441618 stattgegeben. Vereinfachend: Der untere Teil der Stromlinienkarosserie entspricht einem Segment aus einer Flugzeugtragfläche, der obere ist ein halbierter spindelförmiger Dreh- körper, der der Form der Zeppeline nachgebildet ist.

Bevor noch das Patent unter Dach und Fach war, entstanden aber bereits 1922/23 von Gläser nach seinen Ideen mit Stromlinien- karosserien ausgestattete Wagen. Dem ersten Prototyp, einem T6 des kleinen Arnstädter Autoherstellers Ley (im Bild), folgten ein Audi 14/50 PS Typ K und ein Dixi 6/24 PS Typ G7. Bereits mit diesen ersten Fahrzeugen konnten die erreichbaren Maximal- geschwindigkeiten gegenüber serienmäßigen Karosserien deutlich überboten werden: beim Audi waren es 130 km/h : 95 km/h, beim Dixi 100 km/h : 80km/h!
Jaray_Ley2.jpg
Die Karosserien für den Audi und den Dixi stellte nachweisbar Gläser in Dresden her; für den Ley ist dies wegen der überdeutlichen Ähnlichkeit mehr als zu vermuten.

Obschon also mit diesen ersten Ausführungen die Richtigkeit und Brauchbarkeit von Jaray's Ideen höchst eindrucksvoll nachgewiesen war, reagierten die Zeitgenossen mit größtmöglichem Unverständnis, ja, mit hämischer Ablehnung. Das war wohl einfach zu modern in der Zeit! Auch später, in den dreißiger Jahren, als sich Jarays Prinzipien langsam, aber unaufhaltsam, im Automobilbau durch- setzten, wurden seine Stromlinienkarosserien nie ein geschäftlicher Erfolg. Gleichwohl entstanden immer wieder Wagen mit Jaray-Aufbauten. Selbst die nobelsten Marken wie Maybach und Horch ließen solche Fahrzeuge entwickeln.
Jaray_MaybSW.jpg
Maybach SW mit Spohn-Karosserie von 1935.
Jaray_div.jpg
Von hinten: Tatra T77, Fiat Ballila, der Maybach SW und ein Audi. Auch im Rennsport, z.B. Adler und Auto-Union Mille-Miglia-Wagen oder Hanomag Diesel-Weltrekord-Wagen 1938, sorgten sie für Furore.

Am konsequentesten und erfolgreichsten verfolgte Tatra seit 1933 mit dem Stromlinientyp T77, später T87, den von Jaray vorgezeichneten Weg. Als er dann im Auftrag des Automobilnarren Adolf H. das KdF-Auto „Volkswagen“ entwickelte, „bediente sich“ der unter Zeitdruck stehende Automobilprofessor Ferdinand P. derartig von den Tatra-Patenten, dass der tschechische Hersteller gut und gern zehn Klagen wegen Patentrechtsverletzungen anstrebte. Als sich der Ferdinand daher mit der Bitte um Unterstützung an seinen Förderer Adolf wandte, soll ihn der mit der Versicherung beruhigt haben, er, Adolf, „werde das ganze Tschechen-Problem in Kürze und voll- ständig auf seine Weise lösen!“ Der Adolf hielt sein Versprechen, indem er am Morgen des 15. März 1939 die deutsche Wehrmacht in Prag einmarschieren ließ und somit den tschechoslowakischen Staat zerschlug. (Und löste damit auch gleich des Ferdinands kleine rechtlichen Schwierigkeiten.) Kleine Autos - große Politik!

Jaray lebte seit 1923 in der Schweiz, wo er am 22.09.1974 in St. Gallen starb. Seine Erkenntnisse und Entwicklungen beeinflussten nicht nur die Luftfahrt, sondern auch den Automobilbau wesentlich. Er gilt neben Edmund Rumpler als „Vater der Stromlinienform“.
Zuletzt geändert von TseHa am Do 23. Okt 2008, 23:33, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Alex
Administrator
Beiträge: 1954
Registriert: Di 23. Sep 2008, 23:01
antispam: 0
Wohnort: in D ganz weit oben
Kontaktdaten:

Re: Opel mit Jaray-Stromlinienkarosserie

Beitrag von Alex » Mi 22. Okt 2008, 22:47

Moin,
Hat jemand genauere Informationen?
- nicht wirklich, bis auf den unten angefügten Ausriss von Seite 9 eines Kataloges (?) von 1984.
Titel: Handschriften und Autographen der ETH-Bibliothek - Band24: Paul Jaray
Herausgeber: Wissenschaftshistorische Sammlungen der ETH-Bibliothek, Zürich

Gruß

Alex
Dateianhänge
Opel-Jaray.jpg
Meine Modellautosammlung: hahlmodelle.de
der Sponsor für das OMF: double-A-design | Werbung seit 1986

Benutzeravatar
Alex
Administrator
Beiträge: 1954
Registriert: Di 23. Sep 2008, 23:01
antispam: 0
Wohnort: in D ganz weit oben
Kontaktdaten:

Re: Opel mit Jaray-Stromlinienkarosserie

Beitrag von Alex » Mi 22. Okt 2008, 22:57

aber, wo wir schon 'mal bei den "Windeiern" sind...

Hier ein Opel Lochner "Opel-Ei" von 1921
(Quelle Ralf J.F. Kieselbach, Stromlinienautos in Deutschland S. 124, Kohlhammer, 1982)

Gruß

Alex
Dateianhänge
Opel Lochner.jpg
Meine Modellautosammlung: hahlmodelle.de
der Sponsor für das OMF: double-A-design | Werbung seit 1986

Benutzeravatar
TseHa
Beiträge: 428
Registriert: Mi 15. Okt 2008, 11:13
antispam: 0
Wohnort: 57334 Banfe

Re: Opel mit Jaray-Stromlinienkarosserie

Beitrag von TseHa » Mi 22. Okt 2008, 23:25

Danke, Alex!

Da muß ich meine Schätzung zur Entstehungszeit des Jaray-Opel wohl nach oben korrigieren! Es bietet sich dann der 2 Liter als Chassis-Spender an...

Das Opel-Ei ist von 1912 und nicht von 1921. Es nannte sich "Aero-Limousine" und war auf einem 13/30 PS aufgebaut. Privatwagen der Gründergattin Sophie Opel geb. Scheller (1840 - 1913).

Gru0
TseHa

Benutzeravatar
TseHa
Beiträge: 428
Registriert: Mi 15. Okt 2008, 11:13
antispam: 0
Wohnort: 57334 Banfe

Re: Opel mit Jaray-Stromlinienkarosserie

Beitrag von TseHa » Fr 24. Okt 2008, 03:47

Noch einer aus der Abteilung „Stromlinienfieber“:
B3NF_St-Bus36.jpg
Opel Blitz 3to „Langstreckenbus“ auf NF-Fahrgestell. Solche Busse waren vor allem für Verkehre auf den neuen Reichsautobahnen mit hohen Geschwindigkeiten gedacht. Deshalb die beiden Seitenleitwerke am Heck.

Die Einpolterungen dienen als Aufstiegsmöglichkeit zum Dach. Auf Dachgepäckträger mochte man nämlich nicht grundsätzlich verzichten, was dann allerdings die Idee von besonders strömungsgünstig ad absurdum führte.

Gruß, TseHa

Antworten