Kleine Typenkunde — Corsa A (1982-1993)
Verfasst: So 15. Feb 2009, 22:54
Corsa A (1982-1993)
In den 1960er Jahren begannen sich die Automobilkonstrukteure mit Konzepten für Autos der Zukunft zu befassen. Kleiner und kompakter sollten sie werden, aber den Insassen soweit wie möglich die gewohnte Bequemlichkeit bieten. Dazu mussten auch kompaktere und effizientere Motoren her. Quer, statt wie bisher längs, eingebaut und in Verbindung mit Frontantrieb würden sie Platz und Baulänge sparen.
1969 entstanden in Rüsselsheim die ersten zeichnerischen Studien für einen kleinen Opel dieser Ausrichtung. Zu diesem Zeitpunkt besaßen im GM-Konzern noch alle aktuellen Modelle den gewohnten Heckantrieb. Da es also nichts hauseigenes gab, auf das man hätte aufbauen können, machte sich die kleine Abteilung von Technikern kurzerhand auf den Weg und besorgte sich auf einem Schrottplatz in der weiteren Umgebung von Rüsselheim einen BMC Mini – den 1959 erschienenen Urvater aller neuzeitlichen Kleinwagen.
Der Mini verlor die Reste seiner Karosserie, und Motor, Getriebe sowie die gesamte Vorderachsmechanik wurden ausgebaut. Dann entstand darauf eine angedeutete Karosserie in Form eines Drahtkäfigs. Zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung war ja noch kein fahrfähiges Auto erforderlich.
Ein zweites Versuchsmodell sah 2 lösbare Traversen vor, mit denen der gesamte Vorderwagen aus der Karosserie hervorgezogen werden konte. Damit sollte bei den begrenzten Raumverhältnissen die Wartungs- und Reparaturfreundlichkeit verbessert werden. Diese Idee wurde allerdings sehr schnell wieder verworfen.
Es entstanden mehrere Versuchsfahrzeuge unter Verwendung stark umgearbeiteter Karosserieteile vom Kadett A, die teils Frontantrieb und teils Heckantrieb hatten. Allen gemeinsam war bereits ein typisches Merkmal des späteren Corsa: die bauchigen Verbreiterungen an den Kotflügeln, nötig um eine ausreichend breite Spur zu erreichen.
Der damalige Opel-Chef Elliott M. Estes (1916-1988), Spitzname „Pete“ ¹, ließ die Entwickler zwar gewähren, doch weder er noch der Konzernvorstand sahen in einer Erweiterung des Opel-Programms um eine kleine Modellreihe mit Frontantrieb eine Notwendigkeit. Außerdem, so hieß es, gäbe es keine Produktionskapazitäten und, vor allem, würde ein solcher „Mini-Opel“ keine ausreichend großen Verkaufszahlen erreichen! Und also verschwand das Projekt für Jahre in der Ablage.
Außerhalb der GMC-Chefzimmer gingen das Leben und die Entwicklung aber weiter. Bewegung in die Szene kam durch solche Autos wie z.B. Peugeot 104 und Renault R5, die beide ab 1972 den Markt eroberten. Der Kleinwagen verlor sein „Arme-Leute-Auto“-Image, ganz im Gegenteil, als Zweitwagen avancierte er sogar zu einer Art von neuem Statussymbol. Und natürlich entdeckten junge Leute die flotten Flitzer für sich! Die explodierenden Spritpreise im Herbst 1973 taten das ihre, um seine Verbreitung zu fördern. Die deutschen Hersteller mussten antworten. Als erstes erschien der im Wolfsburger VW-Werk produzierte Audi 50 im Sommer 1974, den VW als Polo 1975 herausbrachte. Der Ford Fiesta folgte im Mai 1976. Und Opel?
Nachdem bereits festgelegt war, das der dann 1979 präsentierte Kadett D als erster Opel mit Quermotor und Frontantrieb erscheinen würde, wurde 1977 aus Detroit auch endlich grünes Licht für die Entwicklungsarbeit des kleinen Fronttrieblers gegeben. Der Name Corsa stand damals noch gar nicht fest. Offiziell hieß das Vorhaben „S-Car“, und anfangs sollte er zunächst „Junior“ ² genannt werden. Für die bei Opel durchzuführende Fahrzeugentwicklung wurde ein Budget von umgerechnet 300 Millionen Euro festgelegt. Doch damit greifen wir den Dingen vor: 1977 arbeitete man außer am Kadett D mit Hochdruck an der Fertigstellung von gleich vier, wenn auch eng verwandten Modellreihen, die im Modelljahr 1978 vorgestellt wurden: Rekord (E1), Commodore (C) und, ganz neue Namen, Senator und Monza.
Das Projekt S-Car lag somit mangels Kapazität vorläufig auf Eis, aber immerhin konnten die Ingenieure im weiteren Lauf der Entwicklung des Kadett D auf die Ideen und Ergebnisse der Experimente aus der Zeit um 1969/70 zurückgreifen. Dabei stellte sich heraus, dass Frontantrieb und Einzelradaufhängung mit Schräglenkern an der Hinterachse zu keinem befriedigenden Fahrverhalten führten, weshalb es zur Entwicklung der Verbundlenkerachse kam. Diese sparte dann beim Corsa erhebliche Zeit ein.
Gleichzeitig mit der Freigabe des S-Car beschloss General Motors für die Fertigung des neuen Kleinwagens ein neues Werk in Spanien zu errichten und nahm entsprechende Verhandlungen mit der spanischen Regierung auf. Für die Standortwahl gab es mehrere Gründe: GMC, besonders durch Opel, war auf dem stark wachsenden spanischen Markt bereits recht erfolgreich tätig, in den südlichen Ländern Europas waren Kleinwagen traditionell sehr viel beliebter als im Norden, das Land stand an der Schwelle zum EU-Beitritt, weshalb bei einer Arbeitslosenqoute in der Region von damals 15% reichliche Wirtschaftsförderung aus Brüssel zu erwarten war und, ganz wichtig, durch die Ansiedlung in Spanien fielen die bisherigen Einführzölle auf GMC-Erzeugnisse weg.
Der 1. Spatenstich erfolgte am 14. März 1980: Elliott M. Estes, mittlerweile die Nr. 1 bei GMC, pflanzte einen Baum zur Einweihung der Baustelle bei der Ortschaft Figueruelas in der Nähe von Saragossa. Der Bau schritt rasch voran. Bereits im Mai 1980 waren die Fundamente für das zentrale Presswerk mit einer Gesamtfläche von 50.000 m² gegossen. Die Montagearbeiten an den Hallen begann im Juni 1980 (Bild). Ein Jahr später waren alle Hallen bezugsfertig.
Schon Ende 1980 / Anfang 1981 konnte in mehreren Bereichen mit der Ausrüstung des Werks begonnen werden. Hier werden im April 1981 die Pressen für die Karrosseriebleche angeliefert. Darunter war eine von der Firma Weingarten hergestellte 2500-Tonnen-Presse, 14m breit und 730 Tonnen schwer - zum damaligen Zeitpunkt die größte der Welt! Wenig später kamen die Schweißroboter und bald nach der Inbetriebnahme des werkseigenen Kraftwerkes (Stromerzeugung aus Erdgas) konnten die Tests und Probeläufe beginnen.
Im Januar 1982 war es soweit: als erste Serienteile wurden Halterungen für die flexiblen Bremsschläuche gefertigt. Im Februar gingen die insgesamt 18 Pressen in Betrieb und die erste Probekarosserie entstand!
Das neue Werk schuf ca. 8.200 Arbeitsplätze und verursachte Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro.
Unterdessen arbeitete man in Rüsselsheim natürlich emsig am S-Car
Wie die Studien zeigen, wurde neben der Ausführung mit Steilheck gleichzeitig eine konventionellere Stufenheck-Limousine entwickelt, um von Anfang an den Wünschen älterer Käuferschichten entsprechen zu können. Im Fortschreiten von Konzeption und Entwicklung entschied sich Opel für den Namen „Corsa“, den man sich markenrechtlich schützen ließ. Um, wie es heißt, die Akzeptanz des Namens zu testen, gab Opel einer Auflage von 5.000 Stück ein Sondermodell Kadett D Corsa heraus, dass sich äußerlich durch goldene Zierstreifen unter der Gürtellinie und golden abgesetzte SR-Alufelgen auszeichnete. Damit begann bei Opel die Namensgebung mit auf „a“ auslautenden, von bestehenden Begriffen abgeleiteten Namen (z.B. Vektor zu Vectra, Kaliber zu Calibra).
Der Umstand, dass mit dem Corsa erstmalig in der Firmengeschichte ein Opel zwar komplett in Rüsselsheim entwickelt, aber dann ausschließlich im Ausland produziert werden sollte, zwang zu außergewöhnlichen Schritten und die Ingenieure und Techniker griffen zu besonders findigen Lösungen, um mit der Arbeit voranzukommen. So wurde u.a. eine Umfrage mit 30.000 Teilnehmern durchgeführt, die man nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu einem neuen Kleinwagen von Opel befragte. Die sorgfältig ausgewerteten Ergebnisse, soweit machbar, fanden Eingang in die Entwicklungsarbeiten. Wie kein anderes Auto zuvor entstand der Corsa „im Labor“, d.h. mittels modernster Computertechnik.
Bis dahin wurde viel mit Modellen gearbeitet und experimentiert. Um beispielsweise die Vorgabe zu erfüllen, nach der der neue Wagen eine bessere Aerodynamik als der Kadett D (cw=0.39) und Ascona (cw=0.38) aufweisen sollte, wurde die günstige Form des Schräghecks im kleinen Windkanal der Technischen Universität Stuttgart an einem 1:15 Modell getestet und verbessert. Die Versuche ergaben dann für die Schrägheckversion Werte von 0.36, und für den SR waren es dank Bugschürze und Spoiler an der Heckklappe sogar nur 0.35. Nur bei der Stufenheckversion kam man nicht unter einen cw-Wert von 0.38.
Diese theoretischen Werte wurden später an Originalfahrzeugen überprüft und konnten im Windkanal bei Pininfarina in Turin bestätigt werden.
Modelle mussten auch bei den Crashtests vorerst genügen. Der Ansatz war, dem kleinen Opel den gleichen Sicherheitsstandard mitzugeben wie den größeren Autos. Dazu ließen sich die Crash-Experten um Gunter Zech, zuständig für die passive Sicherheit, einen ganz besonderen Clou einfallen. Sie fertigten Fahrzeughälften im Maßstab 1:2 an, die kostengünstig mit geringem Aufwand herzustellen und in der Anwendung sehr handlich waren. Auch hier belegten die später mit Vorserienmodellen durchgeführten Crashtests höchst eindrucksvoll, welch präzisen Ergebnisse mit den Modellen erzielt worden waren. Das war Pionierarbeit für zukünftige Automobilentwicklung!
Blick in die Design-Abteilung mit dem Spider-Prototyp, der März 1982 in Genf präsentiert wurde. - Nach und nach entstanden so in Rüsselsheim immer mehr fertigungsreife Bauteile, aber erst im Mai 1982 konnten daraus in Saragossa 20 „Pilot“-Corsa gebaut werden. Diese Gelegenheit nutzte man: Am 13. Mai wurde das hochmoderne GM-Montagewerk vom spanischen König Juan Carlos I. feierlich eröffnet und Ferdinand Beickler, frischgebackener Chef der Adam Opel AG, fuhr den ersten Corsa aus der Montagehalle heraus! Die 20 „Pilot“-Corsa dienten zunächst der Erprobung und Abstimmung der Montageabläufe in Saragossa.
Ab dem 7. Juni wurden dann endlich insgesamt 1500 Vorserienmodelle produziert, von denen die ersten dann auch den Entwicklern zur Verfügung standen!
Die Vorserienfahrzeuge wurden außer dem üblichen Testprogramm in Dudenhofen speziell auf dem Nürburgring und auf dem Hockenheimring Langstreckentests unterzogen. Die Wintertauglichkeit erprobte man wie gewohnt am Polarkreis. Tests in der Hitze erfolgten in Spanien und auf einer Rennstrecke in Italien. Außerdem forderte GM einige Wagen an, die noch ausführliche Tests in Arizona durchliefen. Die spezielle Erprobung der Bremsanlage erfolgte teils im Labor, teils unter realen Bedingungen auf Alpenpässen am Großglockner in Österreich und am Stilfser Joch in Tirol. In dieser Phase wurde der Corsa, allerdings nicht unter seinem Namen, sondern unter der Bezeichnung „A3“, einem Kreis von ausgewählten Kunden vorgestellt, um deren Reaktionen auszuwerten und so eventuell letzte Korrekturen vornehmen zu können. Große Beanstandungen gab es offenbar nicht, denn bereits im August wurde die Serienfertigung freigegeben, die dann am 30. August 1982 anlief.
¹ Estes wurde im Februar 1970 zu einem der GM-Direktoren ernannt und damit als „Group Executive in charge of Overseas Operations“ Chef in Rüsselsheim. Im Oktober 1972 rückte er in Detroit zum Vizepräsidenten (Operations Staff) auf. Von 1974 – 1981 war er Präsident von General Motors. – Vieles in der Opel-Geschichte der 60er / 70er Jahre lässt sich nur verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich die in diesen Jahren aus Detroit nach Rüsselsheim entsandten Chefs geradezu die Klinke in die Hand gaben. Die durchschnittliche Verweildauer von 16 Monaten lässt erahnen, wie eilig es die meisten hatten, wieder wegzukommen und was somit damals bei Opel unter einer „soliden und kontinuierlichen Firmenleitung“ zu verstehen war!
² Der Name „Junior“ tauchte erstmals 1938 als Bezeichnung für die Sparausführung des Kadett auf (KJ38). Nachfolgend erhielten verschiedene Sondermodelle, die sich mit vereinfachter Ausstattung besonders an junge Leute wandten (z.B. Ascona Junior), diese Bezeichnung. 1983 entstand die nächste, ebenfalls „Junior“ genannte Kleinwagen-Studie, bei der vor allem Ideen und Wünsche der jungen Opel-MitarbeiterInnen umgesetzt wurden.
In den 1960er Jahren begannen sich die Automobilkonstrukteure mit Konzepten für Autos der Zukunft zu befassen. Kleiner und kompakter sollten sie werden, aber den Insassen soweit wie möglich die gewohnte Bequemlichkeit bieten. Dazu mussten auch kompaktere und effizientere Motoren her. Quer, statt wie bisher längs, eingebaut und in Verbindung mit Frontantrieb würden sie Platz und Baulänge sparen.
1969 entstanden in Rüsselsheim die ersten zeichnerischen Studien für einen kleinen Opel dieser Ausrichtung. Zu diesem Zeitpunkt besaßen im GM-Konzern noch alle aktuellen Modelle den gewohnten Heckantrieb. Da es also nichts hauseigenes gab, auf das man hätte aufbauen können, machte sich die kleine Abteilung von Technikern kurzerhand auf den Weg und besorgte sich auf einem Schrottplatz in der weiteren Umgebung von Rüsselheim einen BMC Mini – den 1959 erschienenen Urvater aller neuzeitlichen Kleinwagen.
Der Mini verlor die Reste seiner Karosserie, und Motor, Getriebe sowie die gesamte Vorderachsmechanik wurden ausgebaut. Dann entstand darauf eine angedeutete Karosserie in Form eines Drahtkäfigs. Zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung war ja noch kein fahrfähiges Auto erforderlich.
Ein zweites Versuchsmodell sah 2 lösbare Traversen vor, mit denen der gesamte Vorderwagen aus der Karosserie hervorgezogen werden konte. Damit sollte bei den begrenzten Raumverhältnissen die Wartungs- und Reparaturfreundlichkeit verbessert werden. Diese Idee wurde allerdings sehr schnell wieder verworfen.
Es entstanden mehrere Versuchsfahrzeuge unter Verwendung stark umgearbeiteter Karosserieteile vom Kadett A, die teils Frontantrieb und teils Heckantrieb hatten. Allen gemeinsam war bereits ein typisches Merkmal des späteren Corsa: die bauchigen Verbreiterungen an den Kotflügeln, nötig um eine ausreichend breite Spur zu erreichen.
Der damalige Opel-Chef Elliott M. Estes (1916-1988), Spitzname „Pete“ ¹, ließ die Entwickler zwar gewähren, doch weder er noch der Konzernvorstand sahen in einer Erweiterung des Opel-Programms um eine kleine Modellreihe mit Frontantrieb eine Notwendigkeit. Außerdem, so hieß es, gäbe es keine Produktionskapazitäten und, vor allem, würde ein solcher „Mini-Opel“ keine ausreichend großen Verkaufszahlen erreichen! Und also verschwand das Projekt für Jahre in der Ablage.
Außerhalb der GMC-Chefzimmer gingen das Leben und die Entwicklung aber weiter. Bewegung in die Szene kam durch solche Autos wie z.B. Peugeot 104 und Renault R5, die beide ab 1972 den Markt eroberten. Der Kleinwagen verlor sein „Arme-Leute-Auto“-Image, ganz im Gegenteil, als Zweitwagen avancierte er sogar zu einer Art von neuem Statussymbol. Und natürlich entdeckten junge Leute die flotten Flitzer für sich! Die explodierenden Spritpreise im Herbst 1973 taten das ihre, um seine Verbreitung zu fördern. Die deutschen Hersteller mussten antworten. Als erstes erschien der im Wolfsburger VW-Werk produzierte Audi 50 im Sommer 1974, den VW als Polo 1975 herausbrachte. Der Ford Fiesta folgte im Mai 1976. Und Opel?
Nachdem bereits festgelegt war, das der dann 1979 präsentierte Kadett D als erster Opel mit Quermotor und Frontantrieb erscheinen würde, wurde 1977 aus Detroit auch endlich grünes Licht für die Entwicklungsarbeit des kleinen Fronttrieblers gegeben. Der Name Corsa stand damals noch gar nicht fest. Offiziell hieß das Vorhaben „S-Car“, und anfangs sollte er zunächst „Junior“ ² genannt werden. Für die bei Opel durchzuführende Fahrzeugentwicklung wurde ein Budget von umgerechnet 300 Millionen Euro festgelegt. Doch damit greifen wir den Dingen vor: 1977 arbeitete man außer am Kadett D mit Hochdruck an der Fertigstellung von gleich vier, wenn auch eng verwandten Modellreihen, die im Modelljahr 1978 vorgestellt wurden: Rekord (E1), Commodore (C) und, ganz neue Namen, Senator und Monza.
Das Projekt S-Car lag somit mangels Kapazität vorläufig auf Eis, aber immerhin konnten die Ingenieure im weiteren Lauf der Entwicklung des Kadett D auf die Ideen und Ergebnisse der Experimente aus der Zeit um 1969/70 zurückgreifen. Dabei stellte sich heraus, dass Frontantrieb und Einzelradaufhängung mit Schräglenkern an der Hinterachse zu keinem befriedigenden Fahrverhalten führten, weshalb es zur Entwicklung der Verbundlenkerachse kam. Diese sparte dann beim Corsa erhebliche Zeit ein.
Gleichzeitig mit der Freigabe des S-Car beschloss General Motors für die Fertigung des neuen Kleinwagens ein neues Werk in Spanien zu errichten und nahm entsprechende Verhandlungen mit der spanischen Regierung auf. Für die Standortwahl gab es mehrere Gründe: GMC, besonders durch Opel, war auf dem stark wachsenden spanischen Markt bereits recht erfolgreich tätig, in den südlichen Ländern Europas waren Kleinwagen traditionell sehr viel beliebter als im Norden, das Land stand an der Schwelle zum EU-Beitritt, weshalb bei einer Arbeitslosenqoute in der Region von damals 15% reichliche Wirtschaftsförderung aus Brüssel zu erwarten war und, ganz wichtig, durch die Ansiedlung in Spanien fielen die bisherigen Einführzölle auf GMC-Erzeugnisse weg.
Der 1. Spatenstich erfolgte am 14. März 1980: Elliott M. Estes, mittlerweile die Nr. 1 bei GMC, pflanzte einen Baum zur Einweihung der Baustelle bei der Ortschaft Figueruelas in der Nähe von Saragossa. Der Bau schritt rasch voran. Bereits im Mai 1980 waren die Fundamente für das zentrale Presswerk mit einer Gesamtfläche von 50.000 m² gegossen. Die Montagearbeiten an den Hallen begann im Juni 1980 (Bild). Ein Jahr später waren alle Hallen bezugsfertig.
Schon Ende 1980 / Anfang 1981 konnte in mehreren Bereichen mit der Ausrüstung des Werks begonnen werden. Hier werden im April 1981 die Pressen für die Karrosseriebleche angeliefert. Darunter war eine von der Firma Weingarten hergestellte 2500-Tonnen-Presse, 14m breit und 730 Tonnen schwer - zum damaligen Zeitpunkt die größte der Welt! Wenig später kamen die Schweißroboter und bald nach der Inbetriebnahme des werkseigenen Kraftwerkes (Stromerzeugung aus Erdgas) konnten die Tests und Probeläufe beginnen.
Im Januar 1982 war es soweit: als erste Serienteile wurden Halterungen für die flexiblen Bremsschläuche gefertigt. Im Februar gingen die insgesamt 18 Pressen in Betrieb und die erste Probekarosserie entstand!
Das neue Werk schuf ca. 8.200 Arbeitsplätze und verursachte Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro.
Unterdessen arbeitete man in Rüsselsheim natürlich emsig am S-Car
Wie die Studien zeigen, wurde neben der Ausführung mit Steilheck gleichzeitig eine konventionellere Stufenheck-Limousine entwickelt, um von Anfang an den Wünschen älterer Käuferschichten entsprechen zu können. Im Fortschreiten von Konzeption und Entwicklung entschied sich Opel für den Namen „Corsa“, den man sich markenrechtlich schützen ließ. Um, wie es heißt, die Akzeptanz des Namens zu testen, gab Opel einer Auflage von 5.000 Stück ein Sondermodell Kadett D Corsa heraus, dass sich äußerlich durch goldene Zierstreifen unter der Gürtellinie und golden abgesetzte SR-Alufelgen auszeichnete. Damit begann bei Opel die Namensgebung mit auf „a“ auslautenden, von bestehenden Begriffen abgeleiteten Namen (z.B. Vektor zu Vectra, Kaliber zu Calibra).
Der Umstand, dass mit dem Corsa erstmalig in der Firmengeschichte ein Opel zwar komplett in Rüsselsheim entwickelt, aber dann ausschließlich im Ausland produziert werden sollte, zwang zu außergewöhnlichen Schritten und die Ingenieure und Techniker griffen zu besonders findigen Lösungen, um mit der Arbeit voranzukommen. So wurde u.a. eine Umfrage mit 30.000 Teilnehmern durchgeführt, die man nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu einem neuen Kleinwagen von Opel befragte. Die sorgfältig ausgewerteten Ergebnisse, soweit machbar, fanden Eingang in die Entwicklungsarbeiten. Wie kein anderes Auto zuvor entstand der Corsa „im Labor“, d.h. mittels modernster Computertechnik.
Bis dahin wurde viel mit Modellen gearbeitet und experimentiert. Um beispielsweise die Vorgabe zu erfüllen, nach der der neue Wagen eine bessere Aerodynamik als der Kadett D (cw=0.39) und Ascona (cw=0.38) aufweisen sollte, wurde die günstige Form des Schräghecks im kleinen Windkanal der Technischen Universität Stuttgart an einem 1:15 Modell getestet und verbessert. Die Versuche ergaben dann für die Schrägheckversion Werte von 0.36, und für den SR waren es dank Bugschürze und Spoiler an der Heckklappe sogar nur 0.35. Nur bei der Stufenheckversion kam man nicht unter einen cw-Wert von 0.38.
Diese theoretischen Werte wurden später an Originalfahrzeugen überprüft und konnten im Windkanal bei Pininfarina in Turin bestätigt werden.
Modelle mussten auch bei den Crashtests vorerst genügen. Der Ansatz war, dem kleinen Opel den gleichen Sicherheitsstandard mitzugeben wie den größeren Autos. Dazu ließen sich die Crash-Experten um Gunter Zech, zuständig für die passive Sicherheit, einen ganz besonderen Clou einfallen. Sie fertigten Fahrzeughälften im Maßstab 1:2 an, die kostengünstig mit geringem Aufwand herzustellen und in der Anwendung sehr handlich waren. Auch hier belegten die später mit Vorserienmodellen durchgeführten Crashtests höchst eindrucksvoll, welch präzisen Ergebnisse mit den Modellen erzielt worden waren. Das war Pionierarbeit für zukünftige Automobilentwicklung!
Blick in die Design-Abteilung mit dem Spider-Prototyp, der März 1982 in Genf präsentiert wurde. - Nach und nach entstanden so in Rüsselsheim immer mehr fertigungsreife Bauteile, aber erst im Mai 1982 konnten daraus in Saragossa 20 „Pilot“-Corsa gebaut werden. Diese Gelegenheit nutzte man: Am 13. Mai wurde das hochmoderne GM-Montagewerk vom spanischen König Juan Carlos I. feierlich eröffnet und Ferdinand Beickler, frischgebackener Chef der Adam Opel AG, fuhr den ersten Corsa aus der Montagehalle heraus! Die 20 „Pilot“-Corsa dienten zunächst der Erprobung und Abstimmung der Montageabläufe in Saragossa.
Ab dem 7. Juni wurden dann endlich insgesamt 1500 Vorserienmodelle produziert, von denen die ersten dann auch den Entwicklern zur Verfügung standen!
Die Vorserienfahrzeuge wurden außer dem üblichen Testprogramm in Dudenhofen speziell auf dem Nürburgring und auf dem Hockenheimring Langstreckentests unterzogen. Die Wintertauglichkeit erprobte man wie gewohnt am Polarkreis. Tests in der Hitze erfolgten in Spanien und auf einer Rennstrecke in Italien. Außerdem forderte GM einige Wagen an, die noch ausführliche Tests in Arizona durchliefen. Die spezielle Erprobung der Bremsanlage erfolgte teils im Labor, teils unter realen Bedingungen auf Alpenpässen am Großglockner in Österreich und am Stilfser Joch in Tirol. In dieser Phase wurde der Corsa, allerdings nicht unter seinem Namen, sondern unter der Bezeichnung „A3“, einem Kreis von ausgewählten Kunden vorgestellt, um deren Reaktionen auszuwerten und so eventuell letzte Korrekturen vornehmen zu können. Große Beanstandungen gab es offenbar nicht, denn bereits im August wurde die Serienfertigung freigegeben, die dann am 30. August 1982 anlief.
¹ Estes wurde im Februar 1970 zu einem der GM-Direktoren ernannt und damit als „Group Executive in charge of Overseas Operations“ Chef in Rüsselsheim. Im Oktober 1972 rückte er in Detroit zum Vizepräsidenten (Operations Staff) auf. Von 1974 – 1981 war er Präsident von General Motors. – Vieles in der Opel-Geschichte der 60er / 70er Jahre lässt sich nur verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sich die in diesen Jahren aus Detroit nach Rüsselsheim entsandten Chefs geradezu die Klinke in die Hand gaben. Die durchschnittliche Verweildauer von 16 Monaten lässt erahnen, wie eilig es die meisten hatten, wieder wegzukommen und was somit damals bei Opel unter einer „soliden und kontinuierlichen Firmenleitung“ zu verstehen war!
² Der Name „Junior“ tauchte erstmals 1938 als Bezeichnung für die Sparausführung des Kadett auf (KJ38). Nachfolgend erhielten verschiedene Sondermodelle, die sich mit vereinfachter Ausstattung besonders an junge Leute wandten (z.B. Ascona Junior), diese Bezeichnung. 1983 entstand die nächste, ebenfalls „Junior“ genannte Kleinwagen-Studie, bei der vor allem Ideen und Wünsche der jungen Opel-MitarbeiterInnen umgesetzt wurden.