Kleine Typenkunde — Olympia 1947

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TseHa
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Kleine Typenkunde — Olympia 1947

Beitrag von TseHa » Mi 11. Feb 2009, 03:30

Olympia 1947

Als bei Opel, wie anderswo auch, im Oktober 1940 die Herstellung ziviler Fahrzeuge gestoppt wurde, waren von den beiden bisherigen Modellen vom Typ Olympia 168.875 Stück gebaut worden – Deutschlands meistgekaufter Mittelklassewagen.

In mühseliger Arbeit und unter kaum mehr vorstellbaren Bedingungen bauten die Opelaner das 1944 durch Bombenangriffe weitgehend zerstörte Rüsselsheimer Werk wieder auf. Und dies ohne offiziellen Auftrag, ohne die geringste Unterstützung durch den Mutterkonzern, der sich keinen Deut um seine deutsche Tochterfirma kümmerte!
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Doch die Mühen hatten Erfolg: am 28. Dezember 1947 lief als erster Nachkriegs-Pkw wieder ein Olympia vom Band, der feierlich abgenommen wurde.
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Werbung in Englisch! Zunächst ging die mit Sondergenehmigung der alliierten Militärregierung wieder begonnene Produktion fast komplett in den Export. Ausgenommen waren nur an behördliche Kunden gelieferte Wagen – noch durften in Deutschland keine zivilen Fahrzeuge für Privatkunden hergestellt und verkauft werden! Dennoch war die Wiederaufnahme der Produktion des Olympia für Opel ein ganz entscheidender Schritt, um den Fortbestand des Werkes zu sichern.

Der Olympia 1947 unterschied sich kaum grundlegend vom Ausgangsmodell OL38, wie es von 1938 – 1940 gebaut worden war. Allerdings kehrte er nur in Gestalt der 2-türigen Limousine wieder zurück. Die 4-türige Limousine wurde nicht wieder aufgelegt, während die 2-türige Cabrio-Limousine als Olympia 1950 wieder zu haben war.
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Kleine Änderungen ergaben sich zum Beispiel an Schriftzügen und Markenzeichen. Die Vereinfachung der Kühlerfigur, die bekanntlich ein Zeppelin-Luftschiff darstellt, brachte dem Olympia den Spitznamen „fliegende Zigarre“ ein. Überhaupt musste er, den Materialnöten der ersten Nachkriegsjahre entsprechend, mit weniger Chrom-Schmuck auskommen. Beispielsweise waren die Radkappen lackiert. Am Kühlergrill entfielen die etwas breiteren Zierleisten, die ihn beim Vorkriegsmodell optisch in Felder aufteilten. Statt dessen gab es jetzt gleich breite Rippen. Fotos aus dieser Zeit – auch von anderen Autos anderer Marken – lassen den Gedanken aufkommen, dass die damals produzierten Wagen tages- oder wochenweise durchaus leicht unterschiedlich ausfallen konnten. Je nachdem, ob überhaupt Hochglanzlacke für die Lackierung oder die zum Verchromen von Schmuckteilen notwendigen Salze zur Verfügung standen. Das alles gab es offiziell ja nur auf Bezugsschein oder illegal und zu unkalkulierbaren Preisen auf dem Schwarzmarkt!

Technisch hielten sich die Änderungen ebenfalls in Grenzen. Die Grundmaße (Länge / Breite / Höhe 4020 x 1500 x 1580 mm, Radstand 2395 mm, Spurweite vorn / hinten 1191 / 1250 mm, Leergewicht 910 kg, Zuladung 370 kg) entsprachen praktisch genau den alten Werten. Als wahrer Segen erweist sich sein großartiger 1,5-Liter-Motor mit 37 PS, der mit den Kraft- und Schmierstoffen, die auch in den ersten Nachkriegsjahren noch von minderer Güte sind, klaglos zurechtkommt. Am Getriebe gab es einige Vereinfachungen und wirklich erwähnenswert ist eigentlich nur der Wegfall der Opel-Synchron-Federung. Dafür erhielt der Olympia die modernere Vorderachse des Vorkriegs-Kapitäns.
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Auch innen gab es „Entfeinerungen“ – der Olympia musste mit Materialien für Bezüge und Verkleidungen Vorlieb nehmen, die qualitativ unter den Vorkriegsstandards lagen. Das Bild, obwohl es ein nicht völlig originalgetreu restauriertes Exemplar aus 1949 zeigt, lässt erahnen, wie karg es im Olympia 47 aussah.

Am 18. Juni 1948 geben die Militärregierungen über alle Rundfunksender die Durchführung der Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen für Sonntag, den 20. Juni 1948 bekannt, ein entscheidender Wendepunkt für das Deutschland der frühen Nachkriegszeit. Ludwig Erhard setzt, durchaus gegen den Willen der Westmächte, denen das allzu schnell geht, den gleichzeitigen und fast völligen Wegfall von Preisbindungen und Bewirtschaftung durch. „Der einzige Bezugsschein ist jetzt die Deutsche Mark“ verkündet er. Fast wirkt es wie ein Wunder - schon am Montag, dem 21., sind die am Samstag noch leeren Schaufenster und Regale der Läden prall mit Waren aller Art gefüllt, nachdem sie zuvor gehortet und der darbenden Bevölkerung vorenthalten wurden. Der Schwarzmarkt mit seiner „Zigarettenwährung“ bricht in kürzester Zeit zusammen, die Bezugsscheine verschwinden, und die Unternehmen sind jetzt wieder in der Lage, die ihrem Bedarf entsprechenden Rohmaterialien in den erforderlichen Mengen und in friedensmäßiger Qualität zu erwerben. Der Startschuss zum Wirtschaftswunder ist gefallen!
Für die Automobilhersteller bringt die Währungsreform die allgemeine Erlaubnis zur Herstellung und zum Verkauf von zivilen Kraftfahrzeugen ¹ in Deutschland und damit eine kalkulierbare Zukunft. So wird auch für den Olympia nun wieder kräftig geworben...
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Allerdings hat die Währungsreform auch ihre Schattenseiten: mit ihr verbunden sind u.a. drastische Preiserhöhungen und ein sprunghafter Anstieg der Arbeitslosigkeit.
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Der Olympia kostet jetzt 6.785 DM - damals ein Vermögen, wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass man für ungefähr das Dreifache dieses Betrages in diesen Jahren auch ein ganz stattliches Einfamilienhaus bauen konnte. Aus dem preisgünstigen Mittelklassewagen der letzten Vorkriegsjahre ist durch die Währungsreform - quasi über Nacht - ein Luxusgut geworden, von dem die meisten nur träumen können. Dennoch ist der Wagen für Opel ein unschätzbarer Erfolg, der die Firma wieder ganz weit nach vorne bringt!
Und so erscheint dann auch am Allerheiligentag 1948 eine Gruppe ebenso wohlgepflegter wie wohlgenährter Hut- und Mantelträger vor dem Haupteingang des Opel-Werks in Rüsselsheim. Die Herren kommen aus Detroit – jetzt, da „der Laden wieder läuft“, bemächtigt sich GMC wieder des deutschen Eigentums und übernimmt bei Opel wieder das Sagen!
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Es ist interessant, einmal einen Blick auf das Angebot an deutschen Pkw-Modellen am Jahresende 1949 zu werfen, als die Fertigung des Modells Olympia 1947 endete. Es gab und es kosteten (Grundpreise):
• Volkswagen „Standard“ 4.800 DM, als „Export“ 5.450 DM
• Opel Olympia 6.785 DM
• Ford Taunus „Standard“ 6.925 DM, als „Special“ 7.200 DM
• Borgward Hansa 1500 7.600 DM
• Mercedes-Benz 170 V 7.800 DM, als 170 D 9.200 DM (Der einzige Diesel-Pkw!)
• Opel Kapitän 9.950 DM
• Mercedes-Benz 170 S 10.100 DM
Die einzige Neuentwicklung, und erste überhaupt in Deutschland nach dem Krieg. ist der im Oktober 1949 erschienene Borgward Hansa. Mit seiner ultramodernen Ponton-Karosserie und Details wie elektrischen Blinkern macht er zwar Furore, aber der Bremer Hersteller kommt nicht auf wirklich wirtschaftliche Stückzahlen. Alle anderen entsprechen weitestgehend den jeweiligen Vorkriegsmodellen. Das mit Abstand billigste und folglich meistgekaufte Auto ist der VW Käfer. ² Trotzdem, für einen Arbeiter ist auch er unerschwinglich. Der Olympia liegt preislich und bei den Zulassungen auf Platz 2. Der Kapitän als Auto für ausgesprochen Wohlhabende kommt bei den Zulassungen über weite Strecken auf Platz 3. Sein praktisch einziger Konkurrent, der 170 S, wirkt im Vergleich zwar ziemlich altbacken, aber dafür gibt es ihn für Leute mit richtig viel Geld auch bereits als Cabrio.
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Vom Olympia 1947 werden bis Ende 1949 25.952 Einheiten gebaut. Im Januar 1950 erscheint das gründlich aufgefrischte Nachfolgemodell.


¹ Bis Ende 1948 galt noch eine Begrenzung auf Fahrzeuge unter 2 Liter Hubraum!
" Damals gab es tatsächlich Leute, die ließen sich einen Zwischenrahmen aus Holz einziehen, um halbwegs bequem darin sitzen zu können! Kosten für diesen Umbau ca. 600 DM.


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