Kleine Opel-Geschichte — 1928

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TseHa
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Kleine Opel-Geschichte — 1928

Beitrag von TseHa » So 25. Jan 2009, 03:04

Bestmarken, sportliche Triumphe und Rekorde, sensationelle Pioniertaten ... Das Jahr 1928 ist sicher eines der schllernsten der gesamten Opel-Geschichte überhaupt! Trotz wirtschaftlich widriger Umstände darf sich Opel seit 1927 „weltweit größter Hersteller von Fahrrädern“ nennen und 1928 wächst die Firma zum mit deutlichem Abstand größten deutschen Automobilhersteller. Es ist eine stolze Bilanz, die die Opels ziehen können.
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Dennoch ist das Glück nicht ungetrübt. Nachdem Carl, der Älteste bereits 1927 im 58. Lebensjahr verstorben ist, folgt ihm Heinrich 54-jährig am 25. Mai 1928 nach. Ludwig, der jüngste Bruder war 1916 gefallen. Und so machen sich Wilhelm und Friedrich als letzte lebende Söhne von Adam und Sophie Opel trotz aller Tüchtigkeit der Enkelgeneration größte Sorgen um die Firma. Wie schnell selbst große, kerngesunde Unternehmen, ja, ganze Konzerne in den Zwanzigern zusammenbrechen können, haben sie an Hand von zahlreichen Beispielen miterlebt. Deshalb ist 1928 auch das Jahr, in dem die Familie unter der Führung der beiden den Beschluss fasst, die Firma, so lange sie noch nicht in den Sog der sich abschwächenden Wirtschaftslage geraten ist, an einen möglichst potenten Automobilhersteller, am besten aus den USA, zu verkaufen, um so den Bestand der Opel-Werke langfristig abzusichern.

Doch der Reihe nach!
1928_Modelle.jpg
Diese Werbegrafik von Max Bittrof, berühmt als späterer Schöpfer der ersten bundesdeutschen Geldscheine, zeigt Opel-Pkw der Reihen 4-, 10-, 12- und 15PS 1928! Eine Modellreihe ist aus unerfindlichen Gründen ausgelassen...
1928_4PS_1.jpg
Garant des Erfolges seit 1924 - die 4PS-Reihe! Mit dem schicken Packard-Kühler aus 1927 präsentiert sich hier der 50.000ste Wagen, ein 4/16 PS, im Jahre '28. Für deutsche Größenordnungen stellen 50.000 Wagen eines Modells eine geradezu astronomische Zahl dar.
10 I 40 PS_Land'28.jpg
Dieser 10/40 PS ist ein eher selten gebautes Landaulet. Der Wagen dient als Kraftdroscke, erkenntlich an der Würfellinie, und zeigt eine Zutat, die erst 1928 verbreitet Eingang in den deutschen Automobilbau fand: die Stoßstangen! Der 10/40 PS wurde im Laufe seiner Bauzeit zum meistgefahrenen deutschen Mittelklassewagen.
1928_8 I 40 PS_LL.jpg
Oben als fehlend erwähnt: 1927 kam der 7/34 PS mit 1,8-Liter-Maschine als preisgünstigster deutscher 6-Zylinder-Wagen auf den Markt. 1928 stellt ihn Opel mit stärkerer 2,0-Liter-Maschine als 8/40 PS zur Auswahl. Hier als Luxus-Limousine mit Karosserie von Kühn.
15-60PS_Cpe.jpg
Richtig feudal kamen die großen 6-Zylinder-Wagen von Opel daher, ebenfalls 1927 vorgestellt. Auch hier konnte der Kunde wählen: 12/50 PS mit 3,2 Litern, oder 15/60 PS mit 3,9 Litern. Der Preisunterschied lag bei 1000 Reichsmark. Im Bild ein 15/60 PS Coupe beim Baden-Badener Automobilturnier mit Irmgard von Opel im Fond.
Pellar_27-2.jpg
Speziell für diese Nobelwagen ließ Opel vom Maler, Graphiker u. Illustrator Prof. Hanns Pellar (1886-1972), einem der Lieblinge der damaligen feinen Gesellschaft, 1927/28 eine Reihe wunderschöner Werbegraphiken entwickeln.
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Noch größer, noch splendider - 1928 schuf Friedrich Opel den riesigen 8-Zylinder 24/110 PS „Regent“. Hier als Coupe; vorgeführt vom Neffen Fritz.
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Bei soviel eleganter Schönheit könnte man fast vergessen, dass Opel auch ausgesprochen nützliche Autos baute, wenngleich in deutlich kleineren Stückzahlen als die Pkw. Das Hauptangebot bestand in einem flotten 1,5-Tonner mit 10 Steuer-PS, den es wahlweise mit 40 und 45 PS Leistung gab. Recht erfolgreich war das Fahrzeug als Kraftfahrspritze - bei vielen Feuerwehren das erste Fahrzeug überhaupt!
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Keine Statistik hat wohl festgehalten, wie vielen ebenso strebsamen wie wagemutigen kleinen Unternehmern ihr Opel in jenen wirtschaftlich schwierigen Jahren auf die Beine geholfen hat!
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Kommen wir zum sicher spannendsten Kapitel des Jahres 1928, den raketengetrieben „Geschossen“, mit denen Opel für ungeheure Furore sorgte!

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TseHa
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Kleine Opel-Geschichte — 1928 / RAK 1

Beitrag von TseHa » So 25. Jan 2009, 03:07

Geistiger Vater der Rakete ist der in Siebenbürgen geborene Physiker Hermann Oberth (1894-1989). 1917 entwarf er eine mit Ethanol und Sauerstoff betriebene Rakete. In den folgenden Jahren erarbeitete er in mehreren Schriften die bahnbrechenden Grundlagen und Theorien zur Raketentechnik und Weltraumfahrt, die er in seinem 1923 erschienenen Buch Die Rakete zu den Planetenräumen zusammengefasst veröffentlichte. Das Buch, das in der Aussage gipfelte, es sei möglich, in nicht allzu ferner Zukunft mit bemannten Raketen den Mond zu erreichen, löste - besonders in Deutschland - ein regelrechtes „Raketenfieber" aus.

Einer der ersten und am nachhaltigsten von diesem Fieber befallenen war der im I. Weltkrieg als tollkühner Versuchspilot berühmt gewordene Südtiroler Max Valier (1895-1930). Valier träumte von der bemannten Raumfahrt. Unermüdlich warb und kämpfte er für den Raketenantrieb und entwickelte in zahllosen Vorträgen immer wieder berückende Visionen. Er ersann er die unterschiedlichsten Autos und Schienenfahrzeuge, die mit Raketen betrieben werden sollten. Allerdings fehlten ihm die notwendigen finanziellen Mittel, um die Machbarkeit seiner Ideen zu beweisen.

Auf der Suche nach einem Geldgeber suchte der raketenbegeisterte Max Valier im Laufe des Jahres 1927 den Kontakt zum rennsport- und technikbegeisterten Fritz von Opel (1899-1971). Dieser, als finanzkräftiger Opel-Spross und mittlerweile Leiter der Versuchsabteilung, erschien Valier als die geeignete Persönlichkeit, seine Träume Realität werden zu lassen. Der Rüsselsheimer Urknall für das Raketen-Zeitalter erfolgte dann im Herbst 1927. Nach einem persönlichen Treffen mit Max Valier beschloß Fritz von Opel, sich aktiv an der Entwicklung eines neuen „Raketen-Motors“ zu beteiligen.

Er ließ sich von mehreren Firmen Offerten vorlegen, aus denen die des Raketenherstellers Friedrich Wilhelm Sander († 1938) aus Wesermünde (1947 in Bremerhaven umbenannt) siegreich hervorging. Sander hatte sich mit Schiffssignalraketen und besonders mit raketengetriebenen Rettungsgeräten einen Namen gemacht hatte, mit denen Leinen zu gestrandeten Schiffen geschossen wurden. Er wurde nun Dritter im Bunde. Zur Umsetzung des ehrgeizigen Zieles schloß von Opel einen Vertrag mit Sander: Fritz von Opel übernahm die Finanzierung der Produktion und Testversuche.

Dazu wurde in Rüsselsheim ein Raketenteststand eingerichtet, auf dem die von Sander mit Unterstützung von Valier in Wesermünde entwickelten Feststoff-Antriebsraketen unter Fritzens Oberaufsicht von einer Mannschaft um den Opel-Ingenieur Schaber getestet wurden. Der Konstrukteur und Werks-Rennfahrer Kurt C. Volkhart konstruierte auf der Basis eines vorhandenen 4PS-Wagens ein geeignetes Gefährt, daß in nur wenigen Monaten zum ersten rein raketengetriebenen Fahrzeug umgebaut wurde.
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RAK1 im Bau! Deutlich am Spitzkühler zu ersehen, daß ein früher 4PS der Baujahre 1924/25 die Basis lieferte.

Doch zunächst gab es noch zwei Vorversuche mit „RAK0", denn als Valier und Sander mit den Raketen in Rüsselsheim eintrafen, war RAK1 noch nicht fertiggestellt. In höchster Eile wurde auf einen 4/12PS-Versuchswagen der Baujahre 1924/25 eine primitive Holzbühne aufgebaut, die die Raketen trug. Ein winziges Stellwändchen gewährte dem Fahrer sicher eher moralischen Beistand als tatsächlichen Schutz.
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Von RAK0 sind keine Aufnahmen bekannt - Offiziell existierte das Fahrzeug ja nicht! (Fotografische Rekonstruktion nach Angaben von Augenzeugen.)

Am 12. März 1928 fand unter strengster Geheimhaltung und unter Ausschluss der Öffentlichkeit der erste bemannte Raketenversuch der Welt auf der Opel-Rennbahn am Schönauer Hof statt. Herbe Enttäuschung für Valier, der sich sehr danach drängte, diese Sensationstat durchzuführen, doch von Opel entschied kategorisch: „Der Volkhart fährt, der ist Rennfahrer!"

Der also von Volkhart gesteuerte Opel 4PS-Wagen legte mit den beiden Raketen, die zusammen einen Schub von 100 Kilogramm erzeugten, aber nur eine Strecke von 150 Meter zurück. Die Fahrt dauerte 35 Sekunden - das war ja kaum mehr als Dampfwalzentempo! Das Gewicht des Autos samt Fahrer von knapp 600 Kilogramm war einfach zu schwer. Und dann stellte sich auch noch heraus, daß die Handbremse nicht völlig gelöst war! - Es heißt, die Beteiligten hätten nicht gewußt, ob sie Lachen oder Weinen sollten ... Der Fritz sparte jedenfalls nicht mit beißenden Kommentaren, was Sander, um seinen guten Ruf fürchtend, derart in Rage brachte, daß er eine seiner stärksten Raketen an einem massiven Holzbalken befestigte und diese dann aus einem schnell als Startrampe senkrecht verbuddelten Abflußrohr auf über 2000 m Höhe gen Himmel jagte. Der Schrecken der davon völlig Überraschten war nachhaltig - Aber überzeugend!

Bei einem weiteren Versuch mit stärkeren Raketen erreichte der Wagen eine Geschwindigkeit von 75 km/h, nachdem das Auto zuvor mit seinem normalen Motor anfuhr und erst bei einem Tempo von 30 km/h ausgekuppelt und die Raketen gezündet wurden. Doch die prinzipielle Machbarkeit war erwiesen!

Derart ermutigt entschloss man sich, an die Öffentlichkeit zu gehen, was dann am 11. April 1928 geschah. An diesem denkwürdigen Tag wurde der staunenden Öffentlichkeit der endgültige Raketenversuchswagen RAK1 auf der Opel-Bahn vorgestellt.
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Der Raketenwagen verfügte über eine aerodynamisch gestaltete Kühler-Attrappe, im Motorraum befand sich lediglich die speziell für die Fahrten mit Raketenantrieb entwickelte elektrische Zündanlage. Dennoch: Nicht wenige meinten, das Ganze sei nur ein fauler Trick, eine von Opel geschickt aufgezogene Schau... Während unter der Haube ein Rennmotor für den Vortrieb sorgt, lässt man hinten ein paar „Feuerwerkskörper" schmauchen und fauchen, so wurde gemutmaßt. Deshalb wurde die Haube geöffnet, damit sich jeder überzeugen konnte, dass darunter kein Motor war!
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In einem Stahlkasten am Heck befinden sich 12 Raketen von 80 mm Durchmesser. Die Ladung von 40 kg Sprengstoff, durch viele Versuche und Messreihen ermittelt, ist so bemessen, dass sie für eine vollständige Umrundung des 1,5 km langen Ovalkurses ausreicht.
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Und wieder wird Valier düpiert: Volkhart fährt auch dieses Mal! Nachdem das feststand, ertrotzte Valier, daß er wenigsten mit einem weißen Taschentuch das Startzeichen geben durfte ...
Deutlich zu sehen sind die von Volkhart konstruierten seitlich angebrachten Flügel. Sie sorgen für Anpressdruck auf der Vorderachse.
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Kurz nach 16.00 Uhr steht RAK1 startbereit. Letzte Kontrollen, kurze Gespräche - stimmt alles? Um 16.30 Uhr ist es soweit. Kurt C. Volkhart hebt den Arm als Zeichen, dass er bereit ist zum Start. Max Valier schwenkt sein Taschentuch. Volkhart tritt wiederholt auf das zum Zündpedal umfunktionierte Gaspedal. Mit jedem Durchtreten zündet er paarweise die 12 Raketen in seinem Rücken.
RAK1 verschwindet in einer weiß-gelblichen Rauchwolke. Für Augenblicke ist nur das laute Fauchen der Raketen zu hören. Doch dann taucht der Wagen aus der Wolke auf und braust davon!
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Nach nur 8 Sekunden hat RAK1 bereits Tempo 100 erreicht und beschleunigt noch etwas. Etwa 125 km/h werden als Höchstgeschwindigkeit erreicht.
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Doch dann wird das Fahrzeug langsamer, rollt aus und bleibt kurz vor Vollendung der Runde um das Betonoval stehen. Nur 3 Raketenpaare und eine einzelne Rakete haben gezündet; bei den anderen 5 Raketen sind die Zündkabel durchgeschmort.

Trotzdem: die Fahrt ist eine Sensation - Erleichterung und große Genugtuung bei den Protagonisten, begeisterter Jubel bei den Zuschauern. Die Zeitungsberichte überschlagen sich schier vor Euphorie: vom „betriebssicheren Amerikaflug“ und von „der Erdumrundung in eineinhalb Stunden und deren Weiterentwicklung zum Weltraumschiff“ ist die Rede. Raketenantrieb – ein erfolgreicher Versuch der Opel-Werke, so eine Schlagteile - der Popularitätsgewinn für Opel ist enorm; das Unternehmen ist in aller Munde!

Die Macher sahen die Sache jedoch etwas nüchterner. Das Ergebnis war zwar bei weitem kein Fehlschlag, und Volkhart belegte rechnerisch, daß mit RAK1 noch eine deutlich höhere Leistung zu erzielen sei! Aber die Rüsselsheimer Hausstrecke erlaubte keine höheren Geschwindigkeiten - Volkhart war in den Kurven bereits am oberen Rand der Bahn entlang gekratzt! So wurde beschlossen, die Versuche nach Berlin auf die AVUS zu verlegen. Dort sollte dann der technisch und aerodynamisch verfeinerte Nachfolger RAK2 seinen Triumph feiern.

Fritz von Opel kündigte vorab weitere Forschungen und Anstrengungen der Opel-Werke an, deren Fernziel die bemannte Raumfahrt sei. Und er ließ den Worten duirchaus Taten folgen.
____

RAK1 wurde nach Abschluss der RAK-Projekte wieder auf Antrieb mit Kolbenmotor zurückgebaut. Dabei entstand ein recht schicker Sport-Zweisitzer. Als auffälligstes Bauteil blieb die Kühlermaske erhalten. Fritzens Cousine Irmgard von Opel, später als Reitsportlerin zu Weltruhm gelangt, fuhr ihn einige Jahre lang, bis sie ihn an einen Bankier verkaufte.
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Aber das ist eine andere Geschichte, und wir erzählen sie vielleicht ein anderes Mal...

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Kleine Opel-Geschichte — 1928 / RAK 2

Beitrag von TseHa » So 25. Jan 2009, 03:11

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Der zigarrenförmige Raketenrenner RAK2 basierte fahrwerksmäßig auf dem Typ 10/40 PS - hier noch auf dem Werkshof in Rüsselsheim.

An die Fahrten mit RAK1 schlossen sich weitere Tests an und am 27. April saß Fritz von Opel erstmals selbst am Steuer von RAK2. Dies war die Generalprobe für die große Fahrt auf der AVUS in Berlin, die am 23. Mai 1928 stattfand.

Allein 3000 geladene Ehrengäste aus allen Bereichen der Gesellschaft bevölkern die Tribüne am Start. Prominente wie der Dichter und Kabarettist Joachim Ringelnatz, der frischgebackene Deutsche Meister im Schwergewicht Max Schmeling,, „das süßeste Mädchen der Welt“ - Filmstar Lilian Harvey, Bergsteigeridol und Filmer Luis Trenker ... Ungezählte Tausende beobachten das Spektakel an der Strecke. Fritz von Opel hält eine kurze Amsprache, in der er die Zukunft des Raketenantriebs beschwört.
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Dann wird RAK2 in Startposition gerollt. Die 24 80mm-Raketen sind bereits eingesetzt. Jede ist für eine Schubkraft von 250kg ausgelegt - macht 6000 kg Schubkraft total. Jetzt werden die Zündkabel zu den einzelnen Raketen gelegt.
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Fritz legt mit Hand an; man scherzt. Letzte Kontrollen durch die Mannschaft.
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Was werden die nächsten Minuten bringen? Triumph oder Tragödie? Ein durchaus nachdenklicher Fritz von Opel sitzt im Wagen. Wie er später berichtete, war sein letzter Gedanke vor dem Start, dass die 120 kg Sprengstoff hinter ihm auch reichen würden, um ein ganzes Straßenviertel in die Luft zu jagen... Nur, ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.

Valier und Sander stehen zuletzt noch beim Wagen. Letzte gute Wünsche von den Mitstreitern: „Dann wollen wir mal - ab dafür!" 120kg hochverdichteter Sprengstoff warten auf ihre Entfesselung.
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Mit einem Tritt auf das Pedal wird die Reihenzündung der Raketen ausgelöst. Die erste brennt! RAK2 rollt los!
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Diesmal funktioniert der Zündapparat einwandfrei. Nacheinander zünden alle 24 Raketen - RAK2 nimmt Fahrt auf.
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Voller Schub! Unter ohrenbetäubendem Fauchen, einen Kometenschweif hinter sich, rast RAK2 immer schneller werdend davon ... Die Tribünen werden passiert; RAK2 jagt die Avus hinunter Richtung Großer Stern.
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Auf dem letzten Drittel der gut 1800 Meter langen Fahrt kommt es beinahe zur Katastrophe. Mehrmals hebt der Vorderwagen ab - die Vorderachse hängt in der Luft! Jetzt eine Unebenheit in der Fahrbahn, die die Hinterräder aus der Richtung bringt... Nur mit viel Geschick und wohl noch mehr Glück bringt der Pilot das Fahrzeug wieder unter Kontrolle.
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Doch dann sind die Raketen ausgebrannt; der Schub lässt nach und RAK2 rollt aus. Unter begeistertem Jubel gerät die Fahrt zum Triumph! Um 10:47h startete Fritz von Opel; 24 Sekunden später war alles vorbei! 238 km/h wurden als höchste Geschwindigkeit gemessen!
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Es ist geschafft! Menschen strömen herbei, umringen RAK2 und Fritz von Opel, der völlig erschöpft im Wagen sitzt. Glückwünsche, Gratulationen prasseln auf ihn ein. Ob er die wohl bewusst mitbekommen hat? Hier sind Rennfahrerlegende Carl Jörns und Max Valier im Bild. Der letztere kann seine wahren Gefühle kaum verbergen. Wieder nur die zweite Geige gespielt!
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Jetzt kommt auch die süße Lilian Harvey zum Gratulieren. „Mit Fritz von Opel würde ich gerne einmal im Raketenauto fahren!" lässt der Filmstar die Reporter wissen. Naja, allerdings hatte sie sich für ihren Auftritt bezahlen lassen.
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Nun haben sich die Prominenten zu Schampus und Häppchen verzogen. Noch ein Foto für die Presse. Fritz von Opel verbeugt sich artig. Dabei ist er so geschafft, dass ihn die treuen Mitarbeiter, die die Stellung.halten, beim Aussteigen auffangen müssen. Im Triumphzug tragen sie ihn auf den Schultern herum.

Fritz von Opel wurde als Raketen-Fritz zum Volkshelden, seine Tat und RAK2 weltweit zur Legende.

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Kleine Opel-Geschichte — 1928 / RAK 3

Beitrag von TseHa » So 25. Jan 2009, 03:13

RAK 3

Mit RAK2 war nach dem damaligen Entwicklungsstand die Grenze des Machbaren erreicht worden. Zwar konnte der absolute Geschwindigkeitsrekord für landgebundene Fahrzeuge von 328 km/h, den der Engländer Seagrave mit einem 24-Zylinder Sunbeam aufgestellt hat, bei weitem nicht gebrochen werden, aber für ein noch stärkeres und schnelleres Raketenauto gab es in ganz Europa keine geeignete Piste. Was also auf gummibereiften Rädern nicht möglich war, soll also nun auf Eisenbahnschienen erreicht werden.

Im Juni 1928 begibt sich die Opel-Mannschaft, angeführt von Fritz von Opel, in die Lüneburger Heide. Auf der sogenannten „Hasenbahn“, der Bahnstrecke von Hannover über Langenhagen nach Celle, sollen die Rekordversuche stattfinden. Sie ist ausgewählt worden, da sie besonders günstige Neigungs- und Richtungsverhältnisse aufweist. Der Streckenteil ab Burgwedel ist erst 1927/28 fertiggestellt worden und wird bislang nur von Güterzügen befahren, um die Haupstrecke nach Bremen zu entlasten. Daher ist die Strecke in allerbestem Zustand. Die zuständige Reichsbahndirektion Hannover hat die Rekordversuche auf einem 3 km langen Streckenabschnitt zwischen den Bahnhöfen Groß-Burgwedel und Isernhagen in Richtung Celle genehmigt. Hier führt die Bahn durch dünn besiedeltes Gebiet und liegt zudem in Höhe der Ortschaft Klein-Burgwedel in einem Einschnitt, was für den Fall der Fälle größtmögliche Sicherheit verspricht. Ein ganzer Zug voll Opel-Arbeitern ist als Streckenposten in die Heide abkommandiert worden.
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Am Mittag des 23. Juni 1928 wird der raketenangetriebene Schienenwagen RAK3 auf die Schienen gehievt und aufgerüstet. Hier verkabelt gerade der bewährte Opel-Techniker August Becker, der bei allen RAK-Projekten mitwirkte, unter Sanders Aufsicht die 10 Raketen, die für 2750 kg Schub ausgelegt sind.
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RAK3 ist eine recht filigrane Konstruktion. Der Rahmen besteht wesentlich nur aus zwei Langträgern, die durch die beiden Achsen und ihre Achshalter verbunden sind. Auf diesem Fahrwerk sind zwei aus Blech gefertigte Plattformen montiert. Die vordere ist zweigeteilt und aerodynamisch gestaltet, um die Vorderachse anzudrücken. Mit rund 400 kg ist das Fahrzeug nämlich sehr leicht. In der Mitte befinden sich die Aufnahmen für zwei Bremsraketen, die RAK3 nach 2000 Metern anhalten sollen. Ansonsten, so hat man errechnet, würde RAK3 bis zu 20 Kilometer weit davonrollen. - Auf der hinteren Plattform befindet sich ein Aufbau, der an einen Bob erinnert und am Heck in den Raketenkasten übergeht, der maximal 32 Raketen, in Lagen geschichtet, aufnehmen kann.
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Alles ist bereit, und so stellt man sich vor dem Start gut gelaunt und erwartungsfroh zum obligatorischen Gruppenbild mit dem rot lackierten RAK3 für die zahlreich erschienene Presse auf.
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Um 14.30 Uhr steigt, wie bei den Fahrten mit RAK1 und RAK2 zuvor, fauchend eine große Sander-Rakete himmelwärts zum Zeichen, dass der Start unmittelbar bevorsteht. Die Zündung ersten Rakete erfolgt ferngesteuert über Draht; die anderen werden vom eingebauten elektrischen Zündmechanismus der Reihe nach entfacht. Im Film ist sehr schön zu sehen, dass die Fernzündung wohl nicht ganz wie gedacht funktionierte. August Becker musste noch mal zum Fahrzeug hin, um mit der Hand nachzuhelfen. Jetzt lief die Zündung, und Becker gab gehörig Fersengeld, um die Böschung hinaufzuwetzen und sich in Sicherheit zu bringen.
Doch dann läuft alles „wie geschmiert“. Um 14.40 Uhr saust RAK3 davon, erzielt serienweise sensationelle Beschleunigungswerte!
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Die Zeitungen haben schon Tage vorher über die anstehenden Raketenfahrten berichtet. Und so dürfte das Örtchen Klein-Burgwedel den größten Menschenauflauf in seiner gesamten Geschichte erlebt haben: „Man schätzt die Zahl der Zuschauer auf mindestens 20.000 und die Zahl der angereisten Kraftfahrzeuge auf rund 2000 bis 3000. Aus Klein-Burgwedel war für einige Tage Groß-Berlin geworden.“ schrieb das Burgdorfer Kreisblatt zwei Tage später. Für den späteren Nachmittag schätzt die Polizei sogar 30.000 Menschen. Sie und die Opel-Arbeiter halten die Zuschauer in angemessenem Abstand.
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Am 27. Oktober 1903 hatte ein elektrischer Versuchs-Triebwagen von AEG und Siemens & Halske auf der Militär–Eisenbahn Marienfelde – Zossen – Jüterbog 210,3 km/h erreicht. Nach rund 10 Sekunden werden an der 500m-Meter-Marke für RAK3 256 Kilometer pro Stunde als Höchstgeschindigkeit gemessen! Neuer absoluter Weltrekord für Schienenfahrzeuge! Es hätte mit ca. 340 km/h sogar der absolute Weltrekord für Landfahrzeuge aller Art werden können, wie die Auswertung des Beschleunigungsdiagramms ergab. Aber ausgerechnet an der 500m-Meter-Marke versagte das nächste Raketenpaar. - Das Publikum ist jedenfalls völlig begeistert. Schnell spricht sich herum, dass am Nachmittag ein zweiter Start erfolgen soll.

Der zweite Versuch
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Fritz von Opel fährt sofort in einem eigens auf Schienenbetrieb umgerüsteten PKW hinterher. In dessen Schlepp wird RAK3 eilends zurück an den Startplatz gebracht.
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Es folgt eine eingehende Überprüfung des Fahrzeugs. Ganz ohne Blessuren hat RAK3 die Fahrt nicht überstanden. Am Raketenkasten hat die Hitze der Raketen einige Löcher im Blech ausgeglüht. Und die Delle am Bug stammt von einer der Bremsraketen, die sich beim Zünden selbstständig gemacht hat. - Fritz von Opel, im eleganten weißen Mantel, hüpft aufgeregt auf dem Gleis umher, schaut hier und dort. Hier inspiziert er gerade den Zündapparat.

Alles in allem finden sich aber keine ernsthaften Schäden, die einen zweiten Start verbieten. Und nun will es der Raketen-Fritz wissen! Der gerade erzielte Weltrekord genügt ihm noch nicht für diesen Tag. Jetzt soll die 400km/h-Marke geknackt werden!
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Jetzt sind 30 Raketen im Heck von RAK3 eingesetzt. 375 kg Sprengstoff - mehr als dreimal soviel wie bei RAK2 - sollen 9750 kg an Schubkraft entwickeln. Wieder versammelt sich die Mannschaft zum Gruppenbild.
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Im Grunde genommen ist RAK3 (wie auch RAK4) als bemanntes Fahrzeug ausgelegt. Vorsichtshalber verzichtet von Opel aber darauf. Dennoch will er wissen, ob überhaupt ein Lebewesen den erwarteten Druck bei der Beschleunigung aushält. Eine junge Katze ist als Testpilot auserkoren. Wunderschön beschreibt es die Cellesche Zeitung: „Eine Katze als Passagier. Sie wird unter einigem Protest in einem Behälter auf dem Führersitz verstaut. Sie scheint die Ehre, hier als Schrittmacher der Menschheit zu diesen, die sie neben den Hahn und den Hammel Montgolfiers stellt, nicht nach Gebühr zu würdigen. Ihr ist sichtlich wenig an der Feststellung, ob der tierische Organismus eine Geschwindigkeit von 400 Stundenkilometer erträgt, gelegen.“
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Um 16.30 Uhr verkündet wieder eine Rakete den zweiten Start. Sofort nach der ersten Zündung werden einige Raketen aus dem Kasten herausgeschleudert, tanzen explodierend auf dem Gleiskörper und den Böschungen herum. Etwa 20 Meter schiebt sich RAK3 vorwärts. Dann hebt eine gewaltige Explosion, „die der eines wohlassortierten Munitionslagers würdig gewesen wäre“, das Fahrzeug von den Schienen. Der Hannoversche Anzeiger beschreibt es so: „Und dann brüllt und kracht es los! Eine gigantische weiße Rauchwolke steigt hoch, aus der nach allen Richtungen Feuergarben schießen. Aus! Stille!“

Fahrgestell und Aufbau liegen zerfetzt zu beiden Seiten der Schienen - ein Fiasko! Menschen kommen zum Glück aber nicht zu Schaden. Die Absperrmannschaften können den Andrang der Schaulustigen nicht aufhalten. In Scharen drängt die Menge heran, um sich den verunglückten Raketenwagen anzusehen. Zu sehen gab es aber schon nichts mehr: sobald sich der Rauch der Explosion lichtete, liesen die Verantwortlichen die Trümmer von RAK3 mit Zeltbahnen zudecken.

Und der arme Stubentiger? In den offiziellen Aufschreibungen findet sich kein Wort mehr über ihn. Aber Sander notiert in seinem Tagebuch, als man die Umgebung des Unglücksortes nach kleineren Trümmerteilen absuchte, habe man die Katze arg benommen und verstört, aber immerhin lebend und ziemlich unverletzt, gefunden.

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Kleine Opel-Geschichte — 1928 / Die übrigen RAK-Projekte

Beitrag von TseHa » So 25. Jan 2009, 03:17

Die übrigen RAK-Projekte

Nach dem Unglück mit RAK3 kam es im Juli 1928 zum Zerwürfnis zwischen Max Valier und Fritz von Opel. Valier, eh tief enttäuscht, weil er als Fahrer / Pilot nicht zum Zuge kam, hielt von Opel vor, die Raketenprojekte allzu hemdsärmelig und unwissenschaftlich zu betreiben. Ihm, also von Opel, ginge es in allererster Linie um den Effekt und um die Werbung für die Opel-Werke. Die ganze Art und Weise sei sogar geeignet, die Raketenforschung der Lächerlichkeit preiszugeben und damit die gesamte Zukunft des Raketenantriebs zu gefährden. Starker Tobak.
Valier ging fortan eigene Wege und entwickelte nun vor allem Flüssigtreibstoffraketen. Immerhin verhalf ihm seine Mitwirkung an den RAK-Projekten dazu, alsbald neue Geldgeber zu finden. Mit den von ihm gebauten Fahrzeugen wurden spektakuläre Leistungen und Rekorde erreicht, so 1929 auf dem zugefrorenen Starnberger See ein Geschwindigkeitsrekord von über 400 km/h. Am 17. Mai 1930 verunglückte er tödlich durch eine Explosion während des Probelaufs einer Rakete in seinem Berliner Labor. Er gilt als erstes Todesopfer der Raumfahrt.

RAK4, 5 und 6
Am 4. August 1928 ist die Versuchsmannschaft zurück in der Lüneburger Heide. In aller Heimlichkeit geht es mitten in der Nacht an die gleiche Stelle des RAK3-Versuchs. Soldaten der Reichswehr und Bereitschaftspolizei sperren das Gelände ab - jede Gefährdung von Zuschauern soll von vorneherein ausgeschlossen werden. Gleichwohl bleibt das Treiben an der Bahnstrecke im Morgengrauen nicht unentdeckt, und so strömen zahlreiche Schaulustige herbei.
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Diesmal hat man mit RAK4 und 5 gleich 2 baugleiche Fahrzeuge dabei. Beide sind nach den Volkhart'schen Vorstellungen mit rund 800 kg doppelt so schwer wie RAK3, in dessen geringem Gewicht der Ingenieur den Hauptgrund für das Unglück sah. RAK4 und 5 sind mit größter Sorgfalt vorbereitet und mit 39 bzw. 40 Raketen bestückt. Heute soll die Marke von 500 km/h überschritten werden - vielleicht sind sogar 600 km/h erreichbar.
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Um 5.35 Uhr befiehlt Fritz von Opel den Start. Sekunden vor der Zündung der ersten Rakete.
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RAK4 setzt sich üngewöhnlich schwerfällig in Bewegung. Schon knallt eine erste Explosion und ein gleißend brennender Brocken fliegt seitlich weg.
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Weitere Explosionen folgen, während RAK4 ungefähr 70 Meter vorwärts schliddert.
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Dann wird es in einem letzten gewaltigen Knall turmhoch in die Luft geschleudert und zerfetzt. Ein großes Teil, in loderndes Feuer gehüllt, fliegt für alle Anwesenden am Himmel zu sehen, weit davon. Es ist eines der Räder, das später 300 m entfernt in einem Kartoffelacker gefunden wird. Zwei komplette Raketen fallen mitten zwischen die Zuschauer. Unbegreiflicher Weise detonieren sie nicht unter den dicht stehenden Menschen. Die Folgen wären entsetzlich gewesen. Unglaubliches Glück im Unglück - am Ende ist niemand nennenswert verletzt worden.
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Betroffene Mienen an den zerfetzten, ausgeglühten Trümmern. Von Opel und Sander stecken die Köpfe zusammen: „Schluß. Keine Fortsetzung heute!“ Doch auch ohne diese Entscheidung wäre RAK5 nicht mehr gefahren. Der von der Rbd Hannover entsandte Bahnbeamte untersagt nach kurzer Rücksprache mit seiner Direktion die weitere Benutzung der Strecke. Die Reichsbahn befürchtet nun kostspielige Schäden am Bahnkörper, macht sich Sorgen um ihre Reputation. Auch der anwesende Landrat Schmidt in seiner Funktion als Spitze der Ordnungspolizei verbietet jede Fortsetzung.

Fritz von Opel hält eine Ansprache. Er bemüht sich, die neuerliche Katastrophe zu relativieren. Die bisherigen Versuche seien notwendig gewesen, aber auch ncht von überragender Bedeutung. Bald werde man mit neuen Erfindungen zurückkehren. - Damit spielte er wohl auf die bereits laufenden Versuche mit Flüssigtreibstoffraketen und die Bestrebungen an, nunmehr auch mit Raketenkraft zu fliegen. Die Versuche auf Straße und Schiene waren mit dem Zerknall von RAK4 jedenfalls beendet. RAK5 kam nie zum Einsatz.

Richtig rätselhaft ist RAK6. Die einzigen wohl existierenden Bilder entstanden am 10 Januar 1929, als der US-amerikanische Kinderstar Jackie Coogan während eines Deutschlandbesuchs einen Abstecher nach Rüsselsheim machte. Er wollte sein Idol Fritz von Opel treffen. Der war aber wohl nicht greifbar, und so führte Friedrich Opel den raketenbegeisterten 14-jährigen durch das Werk, wo er dann auch im Raketenwagen Platz nehmen durfte.
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Im Prinzip ähnelt RAK6 sehr stark RAK4 und 5. Unerklärlich ist, warum das vermutlich auf Vorrat gebaute Fahrzeug, das nie zum Einsatz kam, mit Autorädern ausgerüstet ist. An einen Einsatz auf einer Rennstrecke o.ä. kann ja wohl kaum gedacht worden sein.


Das Raketen-Motorrad
1925 hatte Opel aus Kapazitätsgründen den Bau von Motorrädern eingestellt. In der zweiten Jahreshälfte 1927 kam der Gedanke an eine Wiederaufnahme der Fertigung auf. Opel nahm eine Geschäftsbeziehung zur sächsischen Elite-Diamant-Werke AG auf, die kurz zuvor aus den Elitewerken AG in Brand-Erbisdorf und der dazu gehörenden Abteilung Diamantwerke in Siegmar-Schönau gebildet worden war. Aus Brand-Erbisdorf kamen noch bis 1929 Elite Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, während in Siegmar-Schönau die angesehenen Diamant-Fahrräder und seit 1926 Leichtmotorräder mit 98 cm³ sowie Motorräder mit 350 cm³ bis 500 cm³ hergestellt wurden.
Im Februar 1928 übernahmen die Adam Opel Werke 75 % der Aktien und wurden so zum Haupteigentümer der Elite-Diamant-Werke AG. Nicht ganz klar ist (mir), ob für eine gewisse Übergangszeit ein 500er Motorrad unter dem Namen Elite-Opel geliefert wurde. Jedenfalls begann alsbald unter der Ägide von Fritz von Opel die Entwicklung des Motorrades Opel Motoclub 500 in zwei Ausführungen als Tour mit 16 PS und als Super Sport mit 22 PS.

Im Rahmen des Gesamtkonzepts der RAK-Projekte entstehen in Rüsselsheim unter strenger Geheimhaltung auch Pläne für ein raketengetriebenes Motorrad, mit dem der damalige Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder, der bei knapp 201 km/h liegt, angegegriffen werden soll. Aus Marketing-Sicht eine optimale Strategie, denn was wäre zur Markteinführung der Motoclub werbewirksamer? Allerdings stehen dem Plan etliche Hindernisse entgegen.

Für das Raketen-Motorrad hat von Opel eine 500er Super Sport aus der Vorserie als Basis gewählt. Natürlich ist klar, dass sich das angestrebte Ziel allein mit dem speziell für die neue Motoclub konstruierten 500cm³-OHV-Einzylinder mit 22 PS Leistung, der im Mai zur Verfügung steht, nicht erreichen lässt. Aus Prestigegründen will von Opel aber keinesfalls auf die bewährten englischen JAP oder schweizer MAG Hochleistungs-Motoren zurückgreifen, mit denen damals Maschinen für Rekordversuche üblicher Weise ausgerüstet werden. Nachdem man den eigenen Motor auf ca. 30 PS Leistung hochgezüchtet hat, sieht sein Plan vor, das Raketen-Motorrad mit dem Kolbenmotor auf ca. 145 km/h zu beschleunigen, auszukuppeln und dann die restliche Beschleunigung auf Rekordgeschwindigkeit mit den Pulverraketen zu erzielen, die in drei Stufen paarweise nacheinander gezündet werden.

Auch Vorderradgabel und Rahmen der Motoclub erscheinen von Opel in der vorliegenden Form nicht belastbar genug. Er wendet sich an den in Düren lebenden Ernst Neumann-Neander, der sowohl als Künstler wie auch als genialer Konstrukteur einen herausragenden Ruf geniest. „N hoch 2“, wie er genannt wird, entwickelt eine speziell geschwungene Vorderradgabel mit tief nach unten herabgezogenem Speziallenker und einen futuristisch wirkenden Rahmen aus gepressten Stahlprofilen.

Die serienmäßig vorgesehenen Blattfedern unter der Sitzschale werden entfernt und statt der Fußrasten werden zwei speziell angefertigte große Trittbretter angebracht. Beide Maßnahmen sollen dem Fahrer besseren Halt bei den angepeilten Geschwindigkeiten bieten. Das Heck wird großflächig mit einer Blechschale verkleidet, damit die Reifen nicht vom Feuerstrahl der Raketen beschädigt werden können. An diesen Blechen sind die Halterungen für die vorgesehenen 6 Raketenrohre befestigt, die je 5 kg Sprengstoff enthalten.

Zusätzlich verzögert wird das Projekt durch die Reifen, denn der Lieferant hat Probleme mit der bestellten roten Gummimischung. Die Metallteile der Maschine sind mattsilber gehalten und kontrastieren zu den roten Komponenten wie Sattel, Fußrasten, Lenkergriffen und eben den Reifen. Überdies bestehen grundsätzliche Bedenken, ob die Reifen den Kräften bei Geschwindigkeiten weit jenseits der 200 km/h gewachsen sind. Als die Reifen endlich in Rüsselsheim eintreffen, ist die Motorrad-Fahrt bereits zugunsten der anderen Vorhaben zurückgestellt.
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Fritz von Opel mit seinem neuesten „Spielzeug“. Der Helm deutet daraufhin, dass zumindest Tests und Versuchsfahrten durchgeführt wurden.
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Die eigentliche Rekordfahrt des Raketen-Motorrads, geplant auf der Rekordstrecke Breisach - Oberisingen bei Freiburg, sollte nie stattfinden. Zum Einen hielt wohl der ADAC als verantwortlicher Betreiber die Strecke für zu schmal, zum Anderen wurde keine Genehmigung durch die Behörden erteilt. Was letzten Endes hierbei ausschlaggebend war, ist bis heute ungeklärt.
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Auf der IAMA in Berlin Ende November / Anfang Dezember 1928 hatte das Raketen-Motorrad seinen einzigen bekannten Auftritt in der Öffentlichkeit. Interessierte durften auf der aufgebockten Maschine Platz nehmen und so ein wenig an den Raketenabenteuern teilhaben!

Nach 1928 unternahm der Bremer Ingenieur und Rennfahrer Otto Lührs einige Schaufahrten mit dem Raketen-Motorrad.


Flugversuche mit Raketen
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In Arbeit!

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TseHa
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Kleine Opel-Geschichte — 1928 / Was sonst noch passierte

Beitrag von TseHa » So 25. Jan 2009, 03:43

Rennboot gegen Dampflok
Der Raketen-Fritz fand seine eigene Weise, um sich bei der Deutschen Reichsbahn für das Unterbinden der weiteren Versuche auf Schienen zu bedanken!
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Seit dem 15. Mai 1928 setzte die Reichsbahn unter der Zugnummer FFD 101/102 einen auf den Namen „Rheingold“ getauften internationalen Luxuszug ein, der von Luzern bzw. Basel SBB nach Amsterdam bzw. Hoek van Holland verkehrte. In Basel SBB vermittelte er Anschlüsse von und nach Genf und Zürich und weiter nach Italien, in Hoek van Holland bestand Anschluss nach London. Der Rheingold mit seinen in Violett und Elfenbein lackierten Pullman-Waggons, hier bei Andernach aufgenommen, gehörte zum modernsten und luxuriösesten, was damals überhaupt auf Schienen fuhr – Aushängeschild und ganzer Stolz der Reichsbahn!
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Dass er überdies einer der schnellsten aller Züge der Reichsbahn war, forderte den sportlichen Ehrgeiz von Fritz von Opel heraus, der dann auf die witzige Idee kam, sich in seinem PS-starken Rennboot ein Wettrennen mit dem Rheingold zu liefern. Im Rheintal führen bekanntlich die Eisenbahnstrecken auf langen Abschnitten direkt am Fluß entlang.
Mal fuhr er parallel zum Zug und prostete der braven Lokmannschaft vom Bw Mainz Hbf mit einem Gläschen Champagner freundlich zu, mal ließ er sich zurückfallen, um dann wieder zu überholen... Wer also dieses doch sehr ungleiche Wettrennen gewonnen hat, wurde zwar nicht so ganz klar, doch Presse und Volksmeinung waren jedenfalls begeistert über Fritzens neuesten Streich. Selbstverständlich hatte der Fritz dafür gesorgt, dass sein Vorhaben zum gesellschaftlichen Spektakel geriet. Man verstand die Botschaft sehr wohl. Nur die Reichsbahn zeigte sich wenig amüsiert – dort fühlte man sich veräppelt. Sogar Heinrich Dorpmüller, der gestrenge Reichsbahngeneraldirektor höchstselbst, soll einige sehr harsche Bemerkungen über den Opel-Sprössling gemacht haben.

Nicht bekannt
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ist der Anlass, bei dem Filmdiva Marlene Dietrich im Opel abgelichtet wurde.

Stunden-Weltrekord für Steher
Im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts waren Steher-Rennen ungeheuer populär. Im Windschatten der vorausfahrenden Schrittmacher, die – daher der Name - auf ihren Motorrädern stehen, erreichen die Radrennfahrer spektakuläre Geschwindigkeiten bei ihren halsbrecherischen Bahnrennen. In den Jahren 1924 und 1925 ringen der Belgier Léon Vanderstuyft und der Franzose Jean Brunier erbittert um den Stunden-Weltrekord für Steher:
1. Oktober 1924. Vanderstuyft legt 107,7 km vor.
19. Oktober 1924. Jean Brunier kontert mit 112,44 km.
1. Oktober 1925. Vanderstuyft stellt den neuen Rekord mit 115,098 km auf.
1. November 1925. Brunier setzt mit 120,958 km eine für völlig unmöglich gehaltene Fabelmarke, die die Experten für nicht zu überbieten erklärten..
Da normale Velodrome für derartige Fahrten wegen der Kurvengeschwindigkeiten nicht taugten, fanden alle diese Rekordjagden auf der Autorennbahn von Montlhéry unweit von Paris statt.
1928 schließt sich Opel mit Léon Vanderstuyft und seinem Freund, Trainer und Schrittmacher, dem Schweizer Rudy Lehmann zusammen. Das für unmöglich gehaltene soll möglich gemacht und der Weltrekord gebrochen werden.
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Am 29. September 1928 ist es soweit. Auf der Autodrome Montlhéry macht sich Léon Vanderstuyft bereit, um das waghalsige Unterfangen anzugehen. Er will die Krone seines Sports, den Stunden- Weltrekord der Steher, zurück. Sein Rad ist selbstverständlich eines der Marke Opel, eine speziell für ihn modifizierte Rennmaschine des erfolgreichen Typs ZR III mit 19:3 Zoll-Übersetzung. (ZR III = Zeppelin Rigid Ausführung III; die Räder sind in Anlehnung an den ersten Zeppelin, der den Atlantik überquerte, benannt.)
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Genau so akribisch haben die Opel-Techniker die gewaltige Steher-Maschine für Lehmann vorbereitet. Getrieben wird das gut 250 Kilogramm schwere Gefährt von einem 1,6 Liter-Vierzylinder-Motor, den Friedrich Opel aus dem Automobilbau entwickelt hat. Der Motor besteht aus paarweise zusammen gegossenen Zylindern mit Querstrom-Zylinderköpfen. Die Leistung beträgt circa 30 PS. Um sie erschütterungsfrei auf das Hinterrad zu übertragen, laufen zwei lederne Flachriemen über hölzerne Riemenscheiben..

Dann lässt Schrittmacher Lehmann den Motor an – die Fahrt beginnt. 80, 90, 100, 110 km/h, und er legt weiter an Tempo zu. Es müssen deutlich über 120 km/h im Schnitt gefahren werden, will man das Ziel erreichen. Im Windschatten des Motorrads rast Vanderstuyft um die Bahn.- quasi im Vorbeifahren sammelt er Weltrekorde ein: 25 km werden in 12 min 41,8 sec, 50 km in 24 min 44,8 sec und 100 km in exakt 49 min 00 sec durchfahren. 11 Minuten bleiben nun zum eigentlichen Angriff auf den Weltrekord. Jetzt sind die sprichwörtlich gewordenen Steherqualitäten gefragt. Der Körper ist längst ausgepumpt; wie in Trance tritt Vanderstuyft in die Pedale.
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Als nach genau einer Stunde die Schlussglocke ertönt ist, folgen bange Minuten des Wartens. Dann verkünden die internationalen Schiedsrichter das offizielle Ergebnis. Es ist geschafft! Der neue Stunden-Weltrekord der Steher lautet auf genau 122,771 Kilometer in der Stunde - Ein Rekord, der noch 80 Jahre später Bestand hat! Einmal mehr hat sich der Slogan „Fahre Opel, dann wirst du Meister!“, mit dem Opel zu dieser Zeit für seine Fahrräder wirbt, bewahrheitet.

Das Steher-Rad des Weltrekordlers ist noch heute in Opel-Besitz und zusammen mit einer restaurierten Steher-Maschine Teil der historischen Sammlung.


In Arbeit!

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