Kleine Typenkunde — 1 Liter (1932-1933)

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TseHa
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Kleine Typenkunde — 1 Liter (1932-1933)

Beitrag von TseHa » Sa 28. Feb 2009, 21:07

Opel 1 Liter (1932-1933)

Der Zusammenbruch der amerikanischen Börse im Oktober 1929 löste, besonders in den Industrienationen, eine weltweite Wirtschaftskrise aus, die zu einer bis dahin nie gekannten Deflation und zu Massenarbeitslosigkeit in ungeheurem Ausmaß führte. Deutschland, immer noch unter den erzwungenen Reparationsleistungen ächzend und schon seit 1928 an einem wirtschaftlichen Abschwung leidend, wurde besonders hart in Mitleidenschaft gezogen.
Zwar versuchte die Regierung Brüning mit allen erdenklichen Mitteln gegenzusteuern, konnte aber auch nicht verhindern, dass im Februar 1932 die Krise auf dem Arbeitsmarkt ihrem Höhepunkt zustrebte. Rund 6.120.000 Arbeitslosen standen nur noch knapp über 12.000.000 Beschäftigte gegenüber. Unter diesen waren weitere Millionen von Arbeitern und Angestellten von Kurzarbeit betroffen, die von ihren kurz vor dem Ruin stehenden Unternehmen kaum noch oder sogar über Monate keine Löhne und Gehälter erhielten. Hunderttausende wurden obdachlos, Abermillionen hungerten.

Natürlich machte diese Entwicklung vor der Automobilindustrie nicht Halt. Die Zahlen nennen die zwischen 1929 und 1932 hergestellten Opel-Pkw. In Klammern die Zahlen für die gesamte deutsche Pkw-Produktion. Hinter den Schrägstrichen die Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
1929: 29.467 / -17,28% (92.025 / - 9,51%)
1930: 23.292 / -20,96% (71.960 / -21,80%)
1931: 22.625 / - 2,86% (58.774 / -18,32%)
1932: 17.896 / -20,90% (41.727 / -29,00%)
Die Zahlen zeigen auf, dass Opel im Vergleich zur Gesamtbranche insgesamt leidlich besser davon kam. Andere Hersteller mussten Rückgänge um mehr als die Hälfte und sogar bis zu rund zwei Dritteln verkraften! Der auffallend niedrige Wert von nur -2,86% 1931 erklärt sich durch den Ersatz aller bis dahin gefertigten Typen durch die recht erfolgreiche Einführung der neuen 1,2 Liter und 1,8 Liter Modelle.

Ebenso blieb Opel unanfechtbar mit weitem Abstand die Nummer 1 unter den deutschen Pkw-Herstellern. Dies zeigt auch ein Blick auf die Neuzulassungen im Deutschen Reich:
1931: 1. Opel 16.135; 2. Hanomag 5.290; 3. Adler 4.436; gesamt 56.039.
1932: 1. Opel 12.436; 2. Mercedes-Benz 5.325; 3. Adler 4.735; gesamt 41.116.

Dennoch nahm man bei Opel diese Zahlen sehr, sehr ernst, denn erwartbarer Weise konnte es ja nur noch schlimmer werden. Um die Produktionszahlen in diesen Jahren der Not nicht noch weiter abrutschen zu sehen, wurde 1932 beschlossen, aus dem Kleinwagen 1,2 Liter ein ausgesprochenes Billigauto abzuleiten, von dem man hoffte, es werde sich trotz aller Umstände noch gut verkaufen lassen.
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Dies geschah vor allem dadurch, dass für den Motor des 1,2 Liter (Hubraum 1193 cm³, Leistung 22 PS bei 3200 U/min) auf einfachste Weise ein anderer Zylinderkopf konstruiert wurde, indem der Hub von 90 mm auf 75 mm verkleinert wurde. Alle anderen Parameter blieben unverändert. Der „neue“ 1-Liter-Motor besaß einen Hubraum von 995,5 (nach Steuerformel 989) cm³. Er erbrachte bei nun 3300 U/min 18 PS Leistung. Das reichte für eine Höchstgeschwindigkeit von 78 km/h gegenüber 85 km/h beim Basistyp.
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Auch alle anderen Werte und Abmessungen des neuen Opel 1 Liter (interne Bezeichnung Serie 1033) entsprachen praktisch bis aufs I-Tüpfelchen der 1932 gebauten Serie 12C des 1,2 Liter, von dem auch die Aufbauten übernommen wurden. Äußerlich verzichtete man ohnehin fast völlig auf allen schmückenden Chromzierrat und innen wurde die eh nicht allzu üppige Ausstattung noch etwas schlichter gehalten. Damit präsentierte sich der 1 Liter insgesamt als Wägelchen, das auch nach damaligen Begriffen nur ganz einfachen Ansprüchen genügen konnte.
Sonnendach-Limousine - allerdings ein 1,2 Liter Serie 12C aus 1932
Sonnendach-Limousine - allerdings ein 1,2 Liter Serie 12C aus 1932
Die Fertigung begann Ende November 1932, und der Verkauf begann in den ersten Januartagen 1933. Angeboten wurde der 1 Liter anfänglich als Sport-Zweisitzer, 2-türige Limousine mit 4 Sitzen und 2-türige Sonnendach-Limousine mit 4 Sitzen. Da sich letztere, soweit bekannt ist, so gut wie gar nicht verkaufte, wurde sie schon alsbald wieder gestrichen.
Preise für 1 und 1,2 Liter 1933:
- Sport-Zweisitzer 1890,-- RM / 1890,-- RM,
- Limousine 1990,-- RM / 2290,-- RM,
- Sonnendach-Limousine 2140,-- RM / 2420,-- RM.
Aha! Eigentlich stellte nur die 2-türige Normal-Limousine zu einem Preis von unter 2000 Reichsmark ein gegenüber dem 1,2 Liter finanziell wirklich attraktives Angebot dar. Zu berücksichtigen ist freilich auch die Steuerersparniss.
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Die Werbegrafik lässt den Wagen deutlich größer und gestreckter erscheinen, als er in Wirklichkeit war! - In den ersten paar Monaten sah es noch so aus, als könne der 1 Liter seine Mission halbwegs erfüllen. Doch dann gingen weniger und immer weniger Bestellungen ein ...

Am 30. Januar 1933 hatte Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler als Anführer einer Koalition aus dessen NSDAP und der DNVP Alfred Hugenbergs zum Reichskanzler ernannt - einzige verbleibende Möglichkeit, Deutschland eine handlungsfähige Regierung zu geben, da die demokratischen Parteien hier und in dieser Stunde völlig versagten.
Eiligst setzte die neue Regierung alles daran, die nun erlangte Macht abzusichern: Neuwahlen fanden bereits am 5. März statt, und machten die NSDAP zur deutlich stärksten Partei. Mit dem am 24. März verkündeten Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (4. Ermächtigungsgesetz) verschafften sich die neuen Machthaber diktatorische Vollmachten. Gleichzeitig und parallel wurde auch eine Vielzahl von Maßnahmen zumeist dirigistischer Art eingeleitet (z.B. Festsetzung von Höchstpreisen für alle wichtigen Nahrungsmittel, aber auch Beschäftigungsprojekte u.a. im Wohnungs- und Straßenbau), um die daniederliegende Wirtschaft zu beleben.

In ganz kurzer Zeit vollzog sich bei der überwältigenden Mehrheit im Volk ein heute schier unfassbarer Stimmungswandel. Nach all den Jahren der Entbehrungen, der Straßenschlachten, Putschversuche, des müßigen Parteiengezänks ging es, so erschien es den meisten, ganz unübersehbar wieder aufwärts. Hitler, der Retter! Wie grundlegend diese Aufbruchsstimmung die Wirtschaft ankurbelte, zeigen wieder die Zahlen aus der Autoindustrie, die schon 1933 geradezu explodierten. Wie oben für Opel bzw. die Gesamtbranche und die Neuzulassungen:

1933: 35.704 / +99,51% (90.041/ +115,79%)
1934: 63.581 / +78,08% (147.418 / +63,72%)

1933: 1. Opel 28.494; 2. DKW 10.300; 3. Mercedes-Benz 7.844; gesamt 82.048.
1934: 1. Opel 52.586; 2. DKW 20.779; 3. Adler 10.274; gesamt 130.938.
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Zigarettensammelbild mit dem Sport-Zweisitzer.

In dieser Euphorie war kein Platz mehr für ein Billigauto wie den kleinen Opel 1 Liter, das so unübersehbar ein Kind des Elends und der Not war. Opel stellte nach nur einem Jahr Bauzeit die Fertigung im November 1933 wieder ein. Nur 5.600 1 Liter waren hergestellt worden.


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