Kleine Opel-Geschichte — 1960

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TseHa
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Kleine Opel-Geschichte — 1960

Beitrag von TseHa » Mo 9. Feb 2009, 18:34

1960

Bereits im Jahre 1957 hatte die Adam Opel AG aus der Konzernzentrale den Auftrag erhalten, unter strengster Geheimhaltung einen – so wörtlich – „perfekten Anti-VW“ zu entwickeln. Die Verantwortung für das Projekt lag bei Dr.-Ing. e.h. Karl Stief, seit 1934 Chefkonstrukteur und nun auch Vorstandsmitglied. Nach Stiefs Pensionierung 1959 trieben seine engsten Mitarbeiter Hans Mersheimer (Karosserieentwicklung) und Werner K. Strobel (Fahr- und Triebwerk) die Entwicklungsarbeiten weiter voran. Im Februar 1960 ist es geschafft: der neue Kleinwagen ist fertigungsreif! Und nachdem zwei Versuchsfahrzeuge in die USA nach Milford (Michigan) verfrachtet worden waren, um dort auf dem General Motors Proving Ground auf Herz und Nieren getestet zu werden, gibt es aus Detroit „grünes Licht“ für die Produktion!
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Doch noch kann der neue Kleinwagen gar nicht gebaut werden – die Kapazitäten des Rüsselsheimer Werks sind durch andere Fertigungen ausgelastet: seit 1959 läuft der Kapitän P2,6 vom Band und in der Anlage K40 wird der Olympia Rekord P1 noch als Sparversion Opel 1200 bzw. 1500 gefertigt.
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Außerdem bereitet Opel für 1960 bereits die Serienfertigung der neuen Modelle (Olympia) Rekord P2 und den Blitz A vor! Einzige Lösung: für den hochwichtigen Kleinwagen muss zunächst erst mal ein neues Werk errichtet werden...
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Da fügt es sich, das Vertreter des Bochumer Arbeitsteams für Wirtschaftsförderung der Adam Opel AG vorschlagen, in Bochum ein Zweigwerk zu eröffnen. Entgegen allen romantisierenden Darstellungen vom Grubengold, trotz aller markigen Politikersprüche und milliardenschwerer Subventionen – im Ruhrgebiet hat längst das große Zechensterben begonnen: allein in Bochum sind während der letzten fünf Jahre rund 20.000 Arbeitsplätze im Bergbau verloren gegangen. Die Ansiedlung neuer Industriebranchen ist also überlebenswichtig!

Die Stadt Bochum bietet Opel ein Areal im Stadtteil Laer an. Dort liegt das ehemalige Betriebsgelände der Schachtanlage I der Zeche Dannenbaum. Nachdem die Schachtförderung dort bereits 1958 eingestellt wurde, hat die Stadt Bochum das Gelände unmittelbar Anfang 1960 von der Gelsenkirchener Bergwerks-AG erworben, als auch der von einer benachbarten Zeche aus noch betriebene Untertageabbau beendet wurde. Dannenbaum I liegt verkehrstechnisch günstig nicht allzu weit südlich der Bundesautobahn A40 (Ruhrschnellweg) und ist per Anschlussgleis mit dem unweit östlich gelegenen großen Rangierbahnhof Langendreer verbunden.

Das Ganze geht zügig über die Bühne: nach recht kurzer Überlegung entschließt sich die Adam Opel AG, das Angebot anzunehmen. Eigentlich ist das Gelände für die Opel’schen Planungen sogar zu klein, aber genau diesen Umstand macht man sich in den Verhandlungen zu Nutze.
Vertragsabschluss im Bochumer Rathaus
Vertragsabschluss im Bochumer Rathaus
Schon im Mai 1960 kommt es zum Vertragsabschluss; die Stadt Bochum verkauft die neu erworbenen Flächen unter Preis an Opel und verpflichtet sich darüber hinaus, sämtliche Abbruchkosten (z.B. Verfüllung der Schächte) und alle Regressansprüche wegen eventueller Bergschäden zu übernehmen. Zusätzlich trägt die Stadt die Kosten für alle infrastrukturellen Erschließungsmaßnahmen (Ver- und Entsorgungsleitungen, Anschluss an den zu bauenden Opel-Ring, der heute Teil des Bochumer Rings ist). Rund 100 Millionen Mark an Ausgaben kommen so auf Bochum zu, aber in Anbetracht der anderweitigen Verluste ist die Ansiedlung der Automobilindustrie in Bochum ein großer Erfolg der städtischen Wirtschaftsförderung, der beim Bekanntwerden der Pläne in der Presse sehr positiv kommentiert wird. Das renommierte Düsseldorfer Handelsblatt schreibt z.B. am 23. Mai 1960: „Opel geht ins Revier - das ist zweifellos ein Wort für die durch Zechenstilllegungen beunruhigten Bergleute und erst recht eines für die um ihr Gewerbesteueraufkommen besorgte Stadt Bochum.“
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Die Fotomontage zeigt den Bochumer OB und den Opel-Vorsitzer beim abschließenden Händedruck ... und schon verkündet das Baustellenschild den umgehenden Baubeginn!
Wieso aber „Bochum – Zweigwerk 1“? Wie oben gesagt, ist das erworbene Gelände nicht groß genug. Opel hat sich also entschieden, das Bochumer Werk in Form von zwei räumlich getrennte Teilwerken zu errichten. Hier in Laer (Werk I) werden die Karosserien zusammengesetzt, im Werk II sollen die Fahrgestelle und Motoren hergestellt werden, um dann in der Laerer Endmontagehalle eingebaut zu werden. Opel hat sich für den Erwerb einer weiteren Industriefläche eine Option geben lassen; Werk II wird 1962 in Bochum-Langendreer gebaut und über den autobahnähnlichen Opel-Ring und eine eigene Werkseisenbahn mit Werk I verbunden.
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Noch drehen sich in Bochum einige der riesigen Seilscheiben auf den Fördertürmen. Zu ihrern Füßen entsteht aber schon das Neue...
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Ab jetzt reisen regelmäßig Delegationen aus Rüsselsheim nach Bochum, um den Fortgang der Arbeiten in Augenschein zu nehmen. Ob die gute Großmutter ihren Enkeln wohl erzählt hat, dass Opel da demnächst ganz viele Autos baut und dann könnten sie später dort wacker malochen gehn, statt wie Oppa und Pappa auf’em Pütt?

Übrigens, erst durch den Baubeginn der neuen Fabrik auf dem ehemaligen Zechengelände in Bochum erfährt die Öffentlichkeit, dass Opel an einem neuen Kleinwagen arbeitet. Das ist von jetzt an beherrschendes Gesprächsthema, wo immer es um Autos geht. Seriöse wie bunte Presse überbieten sich mit Mutmaßungen über Opels neuen Kleinen. Aber Opel schafft es, ihn weiter streng geheim zu halten. Erst Mitte August 1962, eine Woche vor der offiziellen Pressevorstellung, wird es der Zeitschrift Quick gelingen, auf Basis sehr verschwommener „Heckenschüsse“ eine halbwegs realitätsnahe Zeichnung des neuen Kadetts zu präsentieren!
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Großes Ballett!
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Im August 1960 wird der Rekord P2 mit großem Pomp vorgestellt. Nicht auf der IAA in Frankfurt, wie es immer wieder heißt – 1960 fand wegen des damals 2-jährigen Austragungsmodus nämlich gar keine statt – sondern in Rüsselsheim. Der P2 mit seinen begradigten, deutlich besser dem europäischen Geschmack entsprechenden Linien erhielt großes Lob von der Fachpresse und avancierte mit über 750.000 verkauften Fahrzeugen zum meistgekauften Mittelklasseauto der Bundesrepublik Anfang der 60er Jahre.
Das Coupe baute Opel zunächst nicht selbst; dies wurde bis Sommer 1961 dem Darmstädter Karosseriewerk Autenrieth überlassen. In ganz kleinen Stückzahlen fertigte Autenrieth auch ein schickes Cabriolet auf der Basis des Rekord P2.
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Eher dem Nützlichen diente natürlich der Blitz A. Zur Unterscheidung von seinem berühmten Vorgänger, dem „Weich-Blitz“, erhielt er alsbald den Spitznamen „Kanten-Blitz“.
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Sehr schnell gab es für ihn ein breites Angebot der unterschiedlichsten Aufbauten für nahezu jeden Verwendungszweck. Wegen seiner flotten Fahreigenschaften war er auch als Einsatzfahrzeug bei Polizei und Feuerwehr wieder hochbeliebt. Hier ein Speditionskofferaufbau von Ackermann.
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In Arbeit!

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