Kleine Typenkunde — Kapitän B (1969-1970)

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TseHa
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Kleine Typenkunde — Kapitän B (1969-1970)

Beitrag von TseHa » Fr 6. Feb 2009, 05:23

Kapitän B (1969-1970)

Grundsätzliches
Nizza, Februar 1969. Zwei Monate nach Ende der Fertigung der KAD A-Reihe, wie werksintern die Oberklassemodelle Kapitän, Admiral und Diplomat kurz genannt werden, findet vor mondäner Kulisse die Präsentation der Nachfolgemodelle statt. Bei Opel hofft man, mit den neuen Modellen besonders gegenüber Mercedes-Benz wieder einiges an verlorenem Boden gut machen zu können. Opel hat deshalb bei der neuen B-Reihe gehörigen Aufwand getrieben und gründliche Arbeit geleistet.

Die KAD B-Reihe war eine der allerersten in Deutschland, bei der zwecks besserer Rostvorsorge wichtige Karosserieteile verzinkt wurden! Äußerlich beeindruckten die Wagen mit völlig neu entworfenen Karosserien. Tatsächlich waren sie mit den Maßen von 4907 mm Länge, 1852 mm Breite und 1450 mm Höhe im Schnitt zwar 50 mm kleiner als die Vorgänger, doch die Karosserien mit ihren geglätteten Flächen und sachlich-klaren Linien ließen sie noch wesentlich kompakter und wuchtiger erscheinen. Die Designarbeiten wurden in Rüsselsheim geleistet, waren aber eng an Vorgaben aus Detroit gebunden. KAD muteten nun weit europäischer an als ihre Vorgänger, blieben aber gleichzeitig im Styling unübersehbar amerikanisch. Was sie auf Dauer weder beim deutschen noch beim europäischen Käuferkreis den gewünschten (und durchaus möglichen) Anklang finden ließ. ¹
KapB_4TL-03.jpg
Geblieben war die Tatsache, dass sich „Die großen Drei“, wie schon die Vorgänger-Baureihe, eine einzige Karosserie teilen, obwohl sich das Flaggschiff Diplomat nun mit senkrecht stehenden Frontscheinwerfern und senkrecht angeordneten und kleineren Rückleuchten auch optisch etwas mehr von Kapitän und Admiral abhob

Dem Sicherheitsgedanken trugen neben großzügig bemessenen Knautschzonen auch eine sehr stabile Fahrgastzelle mit üppig verkleidetem Innenraum und die Ausrüstung mit Sicherheitslenksäule Rechung. Dazu kam eine Zweikreis-Bremsanlage (Scheibenbremsen vorn / hinten, Bremskraftverstärker). Kurzum: eine Vielzahl konstruktiver Details, die damals beileibe noch nicht Allgemeingut war!

Auch beim Fahrwerk unternahm Opel erhebliche Anstrengungen. Vorn sorgten eine Doppelquerlenkerachse, Schraubenfedern und Drehstab-Stabilisator für eine optimale Radführung. Hinten wurde die bisherige blattgefederte Starrachse – zuletzt immer schärfer kritisiert – durch die spur- und sturzkonstante De-Dion-Achse mit Schraubenfedern und Drehstab-Stabilisator ersetzt - eine absolute Neuheit!
„Nur noch zwei Wagen in Deutschland leisten sich diesen Luxus: der Admiral und der Diplomat.“ - Prospekt Mai 1969
„Nur noch zwei Wagen in Deutschland leisten sich diesen Luxus: der Admiral und der Diplomat.“ - Prospekt Mai 1969
Die De-Dion-Hinterachse war zwar konstruktiv ungleich aufwendiger und deutlich teurer und zudem rund 20 kg schwerer als die herkömmliche Starrachse, doch konnte mit ihr die Wirkungen der ungefederten Massen deutlich verringert werden. Sie verhalf den neuen KAD-Modellen in Verbindung mit einer leicht ansprechenden aber keineswegs schwammigen Federung zu in jeder Hinsicht herausragend guten Fahreigenschaften. KAD-Fahrer, die mangels Alternative im Opel-Angebot später auf entsprechende Modelle der Konkurrenz umstiegen, quittierten deren Fahrkomfort mit Kopfschütteln: „Der fährt sich ja wie ’n Traktor!“

Auf Wunsch (und gegen Aufpreis) konnten alle drei Modelle zudem mit einer pneumatischen Niveauregulierung ausgerüstet werden. Die zulässige Anhängelast stieg damit auf stattliche 2.000 kg (gebremst!).

Insgesamt gesehen präsentierte Opel mit Kapitän, Admiral und Diplomat B Fahrzeuge, die nicht nur deutlich komfortabler und technisch ausgereifter als ihre Vorgängermodelle waren. In ihren jeweiligen Klassen konnten sie mit Konkurrenzmodellen nicht nur mithalten, sondern sie markierten vielmehr in mancher Hinsicht die Spitze! Trotzdem war ihnen kein durchschlagender und anhaltender Erfolg beschieden, denn Opel hatte ein bedeutendes Imageproblem. Dieses war fraglos zum Teil hausgemacht, aber, aus heutiger Sicht, sicher auch das Ergebnis der „Bemühungen“ einer gewissen Journaille. ²
___

Im Rahmen der KAD-Reihe galt der Kapitän als Einstiegsmodell in die automobile Oberklasse. Der Admiral wandte sich mit seiner gehobenen Ausstattung und stärkeren Motoren an Aufsteiger innerhalb dieses Segments, während der Diplomat, dem der von Chevrolet stammende V8-Motor vorbehalten war, das Spitzenmodell der Adam Opel AG bildete und als Luxuswagen gelten muss.
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Der Kapitän B ging gemeinsam mit Admiral und Diplomat noch im März 1969 in die Serienfertigung und in den Verkauf. Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass er neben den beiden schon nicht mehr so ganz ernst genommen wurde. Es gab für ihn weder eine toll aufgemachte Präsentationsmappe noch wurde für ihn eine eigenständige Werbung gemacht.

Zwei Motorisierungen mit dem gleichen CIH-6-Zylinder-Viertakt-Reihenmotor von 2784 cm³ Hubraum, einer Bohrung von 92 mm und 69,8 mm Hub standen zur Auswahl. Der Unterschied bestand in der Ausrüstung mit einem bzw. zwei Zenith 35/40 INAT Registervergasern.
„Großer Hubraum - große Leistung. Daraus ergibt sich große Lebensdauer. Opel kann eben Motoren bauen. Das weiß man.“ - Prospekt Mai 1969
„Großer Hubraum - große Leistung. Daraus ergibt sich große Lebensdauer. Opel kann eben Motoren bauen. Das weiß man.“ - Prospekt Mai 1969
Damit hatte der Kapitän als 2800S 132 PS / 97 kW und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 175 km/h; von 0-100 km/h brauchte er 12,5 Sekunden. Der Kapitän 2800H kam auf eine Leistung von 145 PS / 107 kW. Als Höchstgeschwindigkeit wurden 185 km/h angegeben und der Sprint 0-100 km/h in 11,5 Sekunden erledigt.
Nachdem das Verdichtungsverhältnis Ende 1969 von 9,5:1 auf 9,0:1 geändert worden war, sanken diese Werte leicht:
2800S: 129 PS / 95 kW; 170 km/h Spitze; 0–100 km/h 13,0 Sekunden.
2800H: 140 PS / 103 kW; 177 km/h Spitze; 0–100 km/h 12,5 Sekunden.

Der Grundpreis des 2800S betrug 13.542,-- DM, für den 2800H waren es 13.941,-- DM. Zum Vergleich: den günstigsten Admiral, bereits erheblich besser ausgestattet, gab es für 14.320,-- DM!
„Keine Schnörkel, nichts Unnötiges. Hier herrscht Ordnung und Übersichtlichkeit und eine zweckbestimmte Bequemlichkeit“ - Prospekt Mai 1969
„Keine Schnörkel, nichts Unnötiges. Hier herrscht Ordnung und Übersichtlichkeit und eine zweckbestimmte Bequemlichkeit“ - Prospekt Mai 1969
Offenbar stellte dies kein allzu attraktives Angebot mehr dar. Vom Opel Kapitän B wurden von März 1969 bis Dezember 1969 3.452 und von Januar bis Mai 1970 noch 1.524 - insgesamt also nur 4.976 Einheiten gebaut. Ein mageres Ergebnis, das Opel sicher frühzeitig dazu bewog, das Modell endgültig vom Markt zu nehmen. Ein wenig rühmlicher Abgang nach all dem, womit der Name „Opel Kapitän“ verknüpft ist, seitdem der erste Ende 1938 vorgestellt wurde!

Das Ende des Verkaufs war aber nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Fertigung! Einer muss bei der Entwicklung mitgedacht haben und hatte dafür gesorgt, dass die Haltestifte der verschiedenen Namensschriftzüge und die entsprechenden Löcher zur Befestigung an den Karosserien gleichen Durchmesser und Abstand erhielten. Der Kapitän, intern Typschlüssel 26, wurde so ohne weitere nennenswerte Modifikationen zum nunmehrigen Admiral N. Der Admiral, bislang ebenfalls Typschlüssel 26, wurde zum Admiral L befördert und erhielt den Typschlüssel 27. Somit entstanden insgesamt 4.976 Kapitän und 6.041 diesem entsprechende Admiral N - zusammen also 11.017 Stück.
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Der Nürnberger Polizeipräsident meinte es offenbar besonders gut mit seinen Beamten und spendierte ihnen den Kapitän B als Funk-Streifenwagen! Anderswo hechelte man noch auf VW 1200 hinter Übeltätern her...

Gemäß jahrzehntelanger Übung waren die belastbaren Kapitän-Fahrgestelle recht beliebt für Sonderaufbauten.
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Typischer Miesen-Krankenwagen in Luxemburg und, vermutlich vom niederländischen Karosseriebauer Visser, einer in völlig ungewohnter Farbgebung. Eingesetzt in Ede.
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Zum Abschluss ein vergleichsweise schlicht gehaltener Leichenwagen von der Firma Ernst Rappold.

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¹ Dieser Stilmix sollte ihnen auf Dauer nicht gut tun, denn das auf Kurzlebigkeit und fast jährliche Modifikationen setzende amerikanische Karosseriedesign, das in der Form hier so nicht nachvollzogen werden konnte, ließ die Wagen nach wenigen Jahren bereits etwas altbacken wirken. Besonders, nachdem Mercedes-Benz 1972 mit der neuen S-Klasse ein Ausrufezeichen setzte, wäre eine gründliche Überarbeitung dringend notwendig gewesen!

² Um nur ein Beispiel zu geben: dieselben „Fachjournalisten“, die nicht müde wurden, Opel wegen der blattgefederten Starrachse scharfzüngig zu geiseln, fanden an dieser Konstruktion bei Fabrikaten anderer Marken nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Hofberichterstattung vom Feinsten!



P.S. Dank an den unbekannten Besitzer dieses Kapitän B, der keine Mühe gescheut hat, um uns den Wagen aus ungewöhnlicher Perspektive zu zeigen!
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